Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
Gestalt nicht auch willentlich annehmen kann. Ich brauche sie sogar, um meine Magie zu entfesseln.«
Ich blickte zu Pheme hinüber, die sich bisher noch nicht ein Mal verwandelt hatte. Wenn jetzt kein guter Anlass war, wann dann?
Aber sie beobachtete noch immer die Harpyien.
»Offenbar warten sie auf ihren Meister. Der Wächter will wohl zusehen, wie sie gegen uns kämpfen.« Ihre Worte klangen, als hätte sie sie an sich selbst gerichtet. Niemand sagte etwas. »Also, dann mal los.«
Es war so weit. Die Schlacht, das Ende, das Jetzt-oder-nie.
Jetzt oder nie …
» Dreht euch um«, befahl ich den anderen in entschiedenem Ton.
Pheme drehte sich daraufhin natürlich erst recht zu mir. »Aileen, was soll das, wir haben …«
»Halt einfach die Klappe und tu, worum ich dich bitte. Es dauert nicht lange.«
Sie sah mich noch einen Moment verstimmt an, dann zuckte sie mit den Achseln und drehte mir den Rücken zu. Die anderen folgten ihrem Beispiel.
»Du nicht«, flüsterte ich, zog Thomas zu mir heran und drückte meinen Mund auf seine Lippen, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Die alte Aileen hätte das gewiss nicht gemacht, aber ich war jetzt eine andere als noch vor einem Monat.
Zunächst ging ein überraschtes Zucken durch seinen Körper, doch dann schloss er mich fest in die Arme und erwiderte meinen Kuss. Es war himmlisch. Ich konnte mir nichts Besseres vorstellen. Mit einem Mal löste sich die Bedrohung auf, und alles Schlimme, das wir erlebt hatten, trat in den Hintergrund. Ich spürte seine Wärme, roch seine Haut und versank in seinem Kuss.
»Ich liebe dich auch«, sagte ich dicht an seinen Lippen. »Also lass dich nachher ja nicht umbringen.«
»Keine Sorge. Ich werde diesen Mistviechern in den Hintern treten.«
Ich küsste ihn erneut, atemlos, leidenschaftlich, als ob unser erster Kuss auch der letzte sein könnte.
Viel zu früh riss uns ein Pfiff von Pheme wieder zurück in die Wirklichkeit. Sie warf mir über die Schulter einen Blick zu, in dem ich Verständnis und Bedauern las.
»Also gut, da jetzt alles geklärt ist, lasst uns gehen.« Die Sirene marschierte auf das Burgtor zu.
Thomas und ich sahen uns noch für einen kurzen Moment in die Augen, dann nickten wir uns zu und folgten ihr, genau wie die anderen. Unser Kuss durfte jetzt keinen Platz mehr in unseren Gedanken haben, und wenn ich daran dachte, was uns bevorstand, war es sogar leichter als gedacht, alles andere zu verdrängen.
Wir schlossen schnell zu Pheme auf, die immer noch keine Anzeichen einer Verwandlung zeigte. Konnte sie es vielleicht gar nicht? Musste dafür der Mond anders stehen oder so?
Im Vorbeigehen sah ich, wie Aiko ihre glühenden Hände zusammendrückte und etwas murmelte. Gut, wir würden also ein wenig Artillerie bekommen. Was war eigentlich mit den Gargoyles? Waren sie in ihre Heimat zurückgeflogen, als sie mit den Harpyien fertig waren? Jetzt könnten wir die steinernen Burschen gut gebrauchen.
»Warum lassen wir sie nicht einfach rauskommen?«, fragte ich, als wir vor dem Torbogen standen.
»Weil wir dann morgen noch hier stehen. Der Wächter will, dass wir reinkommen. Dieser Ort ist ihm heilig, hier fließt seine Magie.«
»Schadet das unserer Magie?«
»Keineswegs. Ich denke, das wird ein interessantes Duell.« Pheme blickte stur geradeaus.
Als ich ebenfalls nach vorn sah, traten gerade die Lamien auf den Hof.
Es waren etwa zwanzig. Wenn Carmilla gewollt hätte, hätte sie beim ersten Angriff also wesentlich mehr Geschwister mitbringen können. Entweder hatte sie geglaubt, dass wir leicht zu besiegen seien – oder sie hatte unsere Stärke austesten wollen.
Während ich die weißen Gestalten mit den roten Augen betrachtete, musste ich mich zusammenreißen, um mich nicht einfach umzudrehen und wegzurennen. Auf einmal dachte ich beinahe mit Wehmut an die Schläger zurück, als ich genau das getan hatte. Geholfen hatte es mir allerdings auch nicht.
Außerdem war ich jetzt nicht mehr wehrlos. Ich würde mich ihnen entgegenstellen – und dann würden wir ja sehen, ob ich meinen Schrei mehrmals ausstoßen konnte.
»Hier, nimm die«, sagte Pheme und reichte mir drei Sphären, die sie aus dem Rucksack geholt hatte. Den anderen reichte sie ebenfalls welche, nur Thomas ging leer aus.
»Warum bekomme ich keine von den Wunderkugeln?«, protestierte er.
»Weil du wenigstens ein bisschen Magie in dir haben musst, um sie zu benutzen. Dafür kannst du die hier haben.« Sie reichte Thomas die Pumpgun
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