Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)

Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janika Nowak
Vom Netzwerk:
Gabel in den Hühnerschenkel. Wäre doch zu doof, wenn er sich in dem Augenblick, in dem ich reinbeißen wollte, in Luft verwandelte.
    Aber der Schenkel fühlte sich echt an, sah echt aus und duftete auch echt.
    »Keine Sorge, es ist richtiges Huhn«, sagte Aiko und schob sich ein Stück Brust in den Mund. »Wir sind zwar magische Wesen, aber das Essen ist Teil unserer menschlichen Seite. Das müssen wir genauso beschaffen wie jeder andere auch.«
    »Woher stammt das Huhn?«
    »Vom Hof in unserer Nachtbarschaft«, antwortete Macius und präzisierte dann: »Unserer entfernteren Nachbarschaft.«
    »Das heißt, du hast …?«
    »Ich habe ihn der guten Frau dort abgekauft«, gab er ruhig zurück. »Sie hat sich gefreut, denn ich habe ihr so viel Geld gegeben, dass sie sich mindestens drei neue Hühner kaufen kann. Oder etwas anderes.«
    Die Vorstellung, dass Macius einer Frau einfach so ein Huhn abkaufte, verwunderte mich ein wenig. Ich hätte erwartet, dass er irgendwas herbeizaubern könnte, genauso, wie er es mit dem Wasserstrahl in der Werkshalle getan hatte.
    »Anschließend habe ich es gewürzt und gebraten«, fuhr der Wassermann fort. »Schade nur, dass wir keine Kartoffeln mehr im Haus hatten, die hätten sicher gut dazu gepasst.«
    Ich war baff! Am Herd konnte ich mir Macius nun überhaupt nicht vorstellen.
    Als könnte er meine Gedanken lesen, blickte er auf und lächelte mich an.
    »Es ist so, wie Aiko gesagt hat, einige Dinge können wir nicht mit Magie lösen. Besonders solche nicht, die mit elementaren Bedürfnissen der menschlichen Seite in uns zu tun haben. Wir müssen essen, schlafen, uns waschen und auf die Toilette gehen wie Menschen. Wir atmen, lieben, leiden und sterben auch wie Menschen, wenn unsere Zeit gekommen ist. Vergiss das niemals!«
    Ich nickte. Immerhin würde etwas von der alten Aileen bleiben. Meine Lust auf Pommes und Spaghetti. Und meine Gefühle … Unwillkürlich schaute ich zu Thomas hinüber.
    Dem schien es von Anfang an egal gewesen zu sein, woraus der Vogel gemacht war. Er langte kräftig zu.
    Ich probierte nun ebenfalls – und es schmeckte köstlich!
    Den ganzen Abend unterhielten wir uns über völlig normale Themen, so dass man glauben konnte, tatsächlich mit normalen Leuten an einem Tisch zu sitzen.
    Aiko plante einen Einkauf für den nächsten Tag und bekam von Pheme gleich eine ganze Liste an Dingen, die sie mitbringen sollte. Die Sirene konnte nicht mitkommen, denn sie musste ja Thomas trainieren.
    Thomas blickte immer wieder zu mir herüber und grinste mich an. Ich erwiderte sein Lächeln meistens, tat dann aber wieder so, als sei das Essen wichtiger. Vielleicht merkte mir so niemand an, dass ich bei seinem Anblick förmlich dahinschmolz.
    Obwohl der Abend nicht unangenehm gewesen war, konnte ich später in meinem Bett nicht einschlafen. Nicht nur Thomas’ Lächeln geisterte durch meinen Verstand, auch die Akten, die ich gelesen und aus denen ich so viel Schreckliches erfahren hatte.
    Nachdem ich mich eine Weile auf meinem Bett herumgewälzt hatte, sah ich ein, dass es sinnlos war, liegen zu bleiben. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber ich konnte genauso gut noch einen kleinen Spaziergang durch den Schacht machen. Mit anderen Worten: mich ungestört umsehen.
    Auf Zehenspitzen schlich ich aus dem Quartier und drückte vorsichtig die Tür ins Schloss. Bis auf eine kleine grüne Notlampe war der Gang dunkel, und ringsherum war es so still, dass mir mein Herzschlag überlaut erschien.
    Nachdem ich auch die Tür zu unserem Gang hinter mir gelassen hatte, spähte ich auf der Treppe nach oben. In regelmäßigen Abständen waren auch hier kleine Lampen angebracht, wie auf einer Landebahn für Flugzeuge. Soweit ich es erkennen konnte, war die Luke über uns wieder geschlossen.
    Nach oben oder nach unten war jetzt die Frage. Ich entschied mich für den Abstieg, denn wenn überhaupt, dann lagen eventuelle geheimnisvolle Kammern sicher weiter unten.
    Ein frischer Luftzug wehte mir entgegen, als befände sich irgendwo ein natürlicher Ausgang. Ich kam an mehreren verschlossenen Türen vorbei, deren Bullaugen im grünen Schein der Lampen gespenstisch wirkten. Noch unheimlicher wurden sie, wenn ich darin mein verzerrtes Spiegelbild erblickte. Meine Haare und mein Gesicht sahen bei diesen Lichtverhältnissen aus, als hätten sie dieselbe Farbe. Ich war so weiß wie ein Geist. Ein Geist im Jogginganzug. Bleichte ich etwa noch mehr aus? Es erschien mir wie eine Ewigkeit,

Weitere Kostenlose Bücher