Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
dir in den kommenden Tagen zeigen. Jetzt sollten wir erst einmal Schluss für heute machen, sonst platzt dir womöglich noch der Kopf.«
Ich ärgerte mich ein wenig darüber, dass er mich wie ein kleines Kind zu schonen versuchte, auch wenn er nicht ganz unrecht hatte. Ich würde sicher eine Weile brauchen, um das alles zu verdauen. Nach einer Stunde, die er mich mit langweiligen Götterstammbäumen gequält hatte, war es immerhin endlich spannend geworden. Na ja, egal, ich hatte sowieso Hunger, und zwar auf etwas anderes als Müsliriegel. Inzwischen war Aiko hoffentlich wieder zurück.
Beim Verlassen des Gemeinschaftsraumes traf ich auf Thomas. Er lehnte am Treppengeländer und hatte ein Veilchen unter dem rechten Auge.
»Du meine Güte!« Ich schlug erschrocken die Hand vor den Mund. »Was ist passiert?«
Pheme hatte doch wohl nicht … diese blöde Kuh! Ich hatte einiges von ihr erwartet, aber nicht, dass sie Thomas verletzte. Wie kam sie nur dazu? Besorgt streckte ich eine Hand nach dem blauen Fleck aus.
»Nichts weiter«, antwortete Thomas und zog sich zurück, als fürchtete er meine Berührung. Kein Wunder, es tat sicher höllisch weh. »Es war meine Schuld. Ich war zu übereifrig, als ich Pheme abwehren wollte. Dabei bin ich gestolpert und gegen einen dieser verdammten Türgriffe gefallen.« Er rollte genervt mit den Augen. »Sie hat sich vor Lachen ausgeschüttet, mir aber immerhin einen Kühlungszauber verpasst.«
Bei näherem Hinsehen erkannte ich die Eiskristalle auf seinem Unterlid.
»Wie ich sehe, hast du deine erste Übungsstunde hinter dir«, bemerkte Macius, der hinter mich getreten war.
Hörte ich in seiner Stimme so etwas wie Schadenfreude? Wie war ich nur auf die Idee gekommen, männliche Götterkinder seien anders als normale Männer? Anscheinend blieb die emotionale Reife eines Mannes auch mit tausend Jahren noch unterentwickelt, wenn es darum ging, den Platzhirsch zu spielen.
»Soll ich Pheme sagen, dass sie das nächste Mal nicht so grob sein soll?«
Die beiden Männer fixierten einander für einen Moment wie Kampfhähne.
»Keine Sorge, ich komme schon klar«, gab Thomas unterkühlt zurück. Er hätte Macius ebenfalls sagen können, dass er gegen die Tür gelaufen war, aber wahrscheinlich war es für sein männliches Ego erträglicher, wenn der Wassermann glaubte, er sei von einer Frau … äh Sirene verprügelt worden.
Die beiden musterten sich gegenseitig noch einen Moment lang, dann machte Macius kehrt und stieg die Treppe hinab.
Thomas blickte ihm finster hinterher.
Was war eigentlich los mit den beiden? Sollten sie sich als einzige Männer hier nicht verbrüdern? Aber was ging es mich an?
»Komm mit, lass uns nachsehen, ob Aiko inzwischen mit dem Essen zurück ist.« Ich packte ihn am Arm und zerrte ihn nach unten zur Küche.
Freudig jubelte ich los, als ich Aiko mit den Einkaufstaschen sah, die sie gerade ausräumte. Als Erstes entdeckte ich einen Salatkopf – kein Grund für Jubel –, aber wenn sie nicht auch ein paar leckere, sprich ungesunde Sachen mitgebracht hätte, würde ich sie schlagen. Um dann im nächsten Moment vermutlich vor einem wütenden roten Dämon zu flüchten.
»Seid ihr beide schon fertig?«, fragte Aiko, während sie mehrere Milchpäckchen in den Kühlschrank schob.
»Sehe ich etwa nicht so aus?«, fragte Thomas und deutete auf sein Veilchen.
Aha, gegenüber Aiko spielte er nicht den harten Kerl. Ich schüttelte den Kopf. Männer!
»Du siehst aus, als wärst du gegen eine Tür gelaufen«, spottete sie. Ich prustete los, aber Aiko ließ sich davon nicht irritieren. »Pheme kann dich unmöglich so vermöbelt haben.«
»Und wenn sie es doch getan hat?«
Aiko schüttelte den Kopf. »Auf gar keinen Fall. Sie schlägt andere nur dann grün und blau, wenn sie ihr Anlass dazu geben. Und auf keinen Fall Menschen, die ihr körperlich unterlegen sind.«
Das saß, denn Thomas wurde krebsrot. Beinahe konnte man denken, dass er sich jetzt auch in einen Oni verwandeln wollte. Aiko hatte für ihn nur ein Grinsen übrig, dann wandte sie sich wieder ihrem Einkauf zu.
Ich kicherte und schlang die Arme von hinten um ihn, bevor ich ihn schnell wieder losließ. »Komm, in Aikos Tüten finden wir bestimmt etwas, das dein verletztes Ego wieder aufpäppelt.«
Ich fing an, mich durch die Einkäufe zu fühlen und stellte erstaunt fest, dass sie Hotdogs mitgebracht hatte.
»He, so was isst du?«, fragte ich und hielt die Packung hoch.
»Warum denn nicht?«,
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