Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
antwortete sie verwundert. »Glaubst du, Japaner ernähren sich nur von Fisch und Reis?«
»Und Tofu!«, fügte Thomas vorlaut hinzu.
»Jedenfalls sieht es in Sendungen über Japan immer so aus«, fügte ich schnell hinzu, denn Aiko blickte ein wenig verstimmt zu Thomas hinüber.
»Das ist nur ein Klischee«, gab sie zurück. »Japaner sind ein höfliches Volk, musst du wissen. Sie zeigen den ganjin nur das, was sie sehen wollen. Das gilt fürs echte Leben ebenso wie fürs Fernsehen. Um die wahre Natur meiner Heimat zu begreifen, muss man ein Teil von ihr werden – und sich vor allem den Respekt der Menschen verdienen. Ansonsten bekommt man immer nur Klischees serviert.«
Demonstrativ hielt sie eine Burger-Packung in die Höhe. »Die Menschen in meinem Land lieben Fleisch genauso wie ihr, nur ist es dort wesentlich teurer. Fisch ist billig zu haben, genauso wie Reis, das war schon immer so, daher essen die Leute diese Sachen am meisten. Aber kaum verlassen die Japaner ihr Land, stürzen sie sich auf Fastfood und andere Sachen, die nichts mit Sushi zu tun haben.«
»Gut zu wissen«, gab ich lächelnd zurück. »Nicht, dass ich Reis nicht mag, aber rohem Fisch konnte ich bisher nichts abgewinnen.«
»Er schmeckt besser, als du denkst. Allerdings solltest du Sushi nur in einem guten japanischen Restaurant essen. Das abgepackte schmeckt bloß nach Pappe und Plastik.«
Kurz erschien ein sehnsuchtsvoller Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Also was ist, wollt ihr was davon, oder soll ich alles einräumen?«
Rasch fischte ich zwei abgepackte Hotdogs aus einer der Tüten und schob sie in die Mikrowelle. Ungeduldig blieb ich davor stehen und beobachtete, wie sich der Teller drehte.
Als Pheme in die Küche stürmte, drehte ich mich wieder um. Ein leichter Rosenduft wehte mir entgegen, offenbar hatte sie sich nach dem Kampftraining erst einmal geduscht. Irgendwie hätte ich nicht gedacht, dass Pheme der Typ war, der Rosenduft trug, aber es passte zu ihr.
»Na, was macht dein Auge?«, fragte sie Thomas feixend.
»Dein Kältezauber wirkt noch.«
Man merkte, dass er versuchte, das Wort »Kältezauber« möglichst beiläufig auszusprechen, so, als wäre ein Zauber das Normalste der Welt. So ganz klappte das noch nicht, aber ich wollte nicht wissen, was ich für Grimassen zog, wenn von Magie die Rede war.
»Beim nächsten Mal solltest du besser nicht so tun, als wärst du Bruce Lee. Mich zu beeindrucken ist schwer, also versuch es erst gar nicht.«
Ping!
Das Geräusch der Mikrowelle ließ mich zusammenzucken.
»Schreckhaft?«, fragte Pheme belustigt, der mein kleiner Hüpfer natürlich nicht entgangen war. Wäre ja auch zu schön gewesen.
»Eigentlich nicht«, gab ich zurück, obwohl ich mich wirklich erschrocken hatte. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl gehabt abzudriften. Das hatte ich manchmal an mir, wenn ein monotones, summendes Geräusch in meiner Nähe ertönte. Zum Glück passierte mir das nicht, wenn ich an der Säge stand, aber sobald ich eine Säge, einen Mixer oder eine Bohrmaschine im Hintergrund hörte, musste ich aufpassen, nicht wie weggetreten in die Gegend zu starren. War das etwa auch ein Teil meines Banshee-Erbes?
»Macius hat dir immerhin kein blaues Auge verpasst«, stellte Pheme fest, nachdem ich die Hotdogs aus der Mikrowelle genommen und Thomas einen gereicht hatte.
Ich hatte schon den Mund voll, deswegen antwortete ich nicht.
»Wie ist es in der Außenwelt gelaufen?«, wandte sich die Sirene nun an Aiko und nahm Thomas kurzerhand den Hotdog aus der Hand, bevor er reinbeißen konnte.
Ich sah bedauernd auf meinen eigenen hinunter, beschloss dann, heroisch zu sein, und brach die hintere Hälfte für Thomas ab.
»Keine besonderen Vorkommnisse und auch kein Anzeichen von Harpyien oder anderem Gesocks.«
»Warschau ist also immer noch die Stadt der Wassermänner und Ghule.« Pheme biss herzhaft in den Hotdog.
»Gibt es hier noch mehr Wassermänner?«, fragte ich, nachdem ich auch noch mal abgebissen hatte.
Thomas schlang den halben Hotdog in Rekordzeit hinunter.
»Früher hat es mal sehr viele davon gegeben«, antwortete Pheme. »Jeder Wassermann herrschte über eine Wasserader, seinen Brunnen oder seine Quelle und verteidigte sein Revier. Wer sie beleidigte oder sich anmaßte, Dinge ins Brunnenwasser zu kippen, die da nicht reingehören, verschwand schnell mal in der Tiefe. Was meinst du, wie viele Männer nicht mehr gesehen wurden, nachdem sie sich im Brunnen erleichtern
Weitere Kostenlose Bücher