Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
ganzen Tag unter Hochspannung gestanden, ihr braucht Ruhe.«
»So wie du auch.«
»Ich fühle mich nicht müde. Wenn ich euch schon begleite, dann will ich mich auch nützlich machen. Irgendwie.«
Die beiden lieferten sich ein Blickduell, bis Pheme schließlich nachgab und nickte. »Also gut, halte du Wache. Solltest du irgendwas Verdächtiges hören, wirst du nicht allein nachsehen, sondern uns Bescheid geben, ist das klar?«
»Aber ich kann …«
»Ist das klar?«, wiederholte Pheme mit Nachdruck und blickte dann zu mir rüber, als wollte sie von mir verlangen, dass ich Thomas zur Vernunft brachte.
Mein Stichwort, mich einzumischen. »Das sollte für uns alle gelten. Keiner sollte allein losziehen, solange da draußen jemand versucht, uns umzubringen. Außerdem kann Thomas nicht die ganze Nacht Wache schieben, wir werden uns so oder so abwechseln müssen. Da Pheme die meiste Zeit gefahren ist, teilen wir drei die Nacht zwischen uns auf. Thomas, du weckst mich um zwei Uhr. Aiko, dich wecke ich um fünf, um acht sollten wir uns dann wieder auf den Weg machen. Einverstanden?«
Aiko und Thomas nickten, während Pheme überrascht die Augenbrauen hochzog. Ja, manchmal konnte ich auch vernünftig sein und brauchbare Vorschläge machen. Aber sie sollte sich besser nicht daran gewöhnen.
»Gut, Mädels, dann hauen wir uns jetzt aufs Ohr!« Pheme machte ein Nachttischlämpchen an und schaltete dann die übrigen Lichter aus, bevor sie sich auf das Bett warf.
Aiko ließ sich fast lautlos neben sie auf die Matratze sinken, während ich zu Thomas hinüberblickte. Blieb das Etagenbett für uns beide. Thomas drehte sich einen Sessel so, dass er Tür und Fenster im Blick hatte, und legte seine Waffe in Griffweite neben sich.
Ich legte mich in die untere Koje und versuchte es mir bequem zu machen. Die Matratze war gar nicht so schlecht, dafür war das Bettzeug kratzig. Mir fiel ein, was Macius damals zu mir gesagt hatte. Würden die Nyxianer Thomas dermaßen beeinflussen können, dass er uns alle im Schlaf tötete? Ach, ich hatte einfach zu viele Horrorfilme gesehen.
Na toll! Meine Chancen, doch noch einzuschlafen, schwanden gerade rapide.
Thomas schien zu spüren, dass irgendwas nicht in Ordnung war, denn er hockte sich wenig später neben mein Bett.
»Kannst du nicht schlafen?«, flüsterte er.
Ich schüttelte den Kopf, denn ich konnte ihm unmöglich von dem erzählen, was mich gerade beschäftigte. Aber seine Nähe tat mir irgendwie gut.
»Mach dir keine Sorgen, es wird schon alles gut werden«, raunte er und streichelte mir übers Haar. »Ich werde auf dich aufpassen. Immer.«
Und wenn du es nicht kannst?
Wenn die anderen stärker sind?
Wenn gerade du zu einer Gefahr für mich wirst?
D er Gefangene lag bäuchlings auf dem Boden des Käfigs. Seine Kleider waren schmutzig und klamm, sein Haar war von Algen und Schlamm verklebt. Ein Arm lag unter seinem Kopf, die Beine wirkten verdreht. Seit man ihn hergebracht hatte, war er noch nicht wieder zu sich gekommen.
Der Wächter blickte ihn mitleidlos an. Dass die anderen entkommen waren, hatte ihn wütend gemacht, aber immerhin hatte er jetzt den Schuldigen, auf den er seinen Zorn richten konnte.
»Wach auf«, raunte er dem Bewusstlosen zu, doch der rührte sich nicht.
Der Wächter betrachtete ihn kurz, dann streckte er die Hand aus. Lichtstrahlen schossen aus seinen Fingern und drangen in den reglosen Körper ein.
Augenblicklich schreckte der Mann hoch, und ein Wasserschwall schoss aus seinem Mund, als wäre er gerade aus dem Meer gezogen worden.
Hustend krümmte er sich, wobei seine Muskeln kraftlos zitterten.
»Sieh mich an!«, donnerte die Stimme des Wächters über ihn hinweg.
Der Gefangene hob den Kopf. In seinen grünen Augen funkelte der Schmerz, der schließlich von Unglauben abgelöst wurde.
»Du bist ein Wächter«, presste er hervor.
»Ja, das bin ich.«
»Ein Wächter mit einem Auge.« Der Gefangene richtete sich auf. » Polyphemos , der Einäugige.«
»Du kennst meinen Namen.« Der Wächter klang erstaunt.
»Deinen Namen kennen viele«, gab der Gefangene ruhig zurück. »Die Griechen nannten dich den Zyklopen und den Zerstörer mit der Flöte.«
»Die Menschen erinnern sich also an mich?« Ein stolzes Lächeln verzerrte die unebenen Züge der einäugigen Gestalt.
»Ja, das tun sie. Es gibt viele Geschichten über dich. Geschichten voller Furcht und Schmerz. Jagst du noch immer Nymphen einen Schrecken ein?«
Das Lächeln verblasste, und
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