Das Lied der Cheyenne
Gesicht, das zur Hälfte von einem dunklen Bart bedeckt war. Seine Haare hingen wie bei einem Indianer bis auf die Schultern hinab. Sie wurden von einer Kappe aus Wolfsfell zusammengehalten, die schräg auf seinem Kopf saß und ihm ein verwegenes Aussehen gab. Von allen weißen Jägern sieht er einem Mann meines Volkes am ähnlichsten, dachte Büffelfrau. Seine Kleidung war aus Wildleder, die Mokassins waren mit Stachelschweinborsten bestickt, und seine Haut war in der Sonne dunkel geworden. Fremd waren nur seine blauen Augen. Sie waren so blau wie der weite Himmel und die klaren Bergseen ihrer Heimat und erinnerten an die geheimnisvollen Träume, die sie seit einigen Wintern erlebte. Ihr werdet dieselbe Luft atmen, hatte ihr Schutzgeist gesagt. Sie griff nach seiner Hand und folgte ihm.
Bloody schwang drohend eine Faust. »Willst die rote Schlampe wohl für dich behalten!«, schimpfte er. »So haben wir nicht gewettet!« Er hob seine Büchse, aber Jean hielt ihn zurück und schüttelte den Kopf. Er hatte erkannt, dass zwischen Josh und der Indianerin etwas Besonderes war, und verspürte keine Lust, sich mit dem langhaarigen Mann anzulegen. Es führte zu nichts, wenn sie einen Krieg anfingen. »Lass sie doch«, beruhigte er den wütenden Jäger, »sie wird ihm ordentlich das Gesicht zerkratzen. Morgen ist sie weich, und wir haben ein leichtes Spiel.«
»Hast du auch wieder recht«, sagte der rothaarige Trapper und ließ die Büchse sinken. »Lass uns lieber einen trinken, damit wir es dem Weib morgen richtig besorgen können!« Er stapfte wie ein Bär auf den Laden zu, in dem auch Whisky und Rum ausgeschenkt und gegen Pelze oder Gold verkauft wurden.
»Endlich mal eine gute Idee«, meine Zeb und folgte dem Iren in das Blockhaus. »Kommst du mit, Jean? Der Whisky reicht nur noch für eine Nacht, und Brandy gibt’s hier draußen nicht.«
»Der Händler wollte welchen mitbringen.«
»Tinker will viel.«
»Er hat’s versprochen. Ist er nicht bald fällig?«
»Müsste in ein paar Tagen kommen«, bestätigte Zeb, »wenn er nicht bei dieser Hure in St. Louis hängen geblieben ist. Du weißt schon, die Rothaarige, von der er immer erzählt.«
»Tinker? Der kriegt doch keinen mehr hoch!«
»Hast du ’ne Ahnung.«
Sie verschwanden in dem Blockhaus und ließen ihre Krüge mit Whisky füllen. Ein spindeldürrer Engländer führte den Laden. Er war bei einer Handelsgesellschaft in St. Louis angestellt, die mit freien Trappern zusammenarbeitete und mit friedlichen Indianern Handel trieb. In einer vertraulichen Mitteilung, die der Engländer bei seinem letzten Besuch in St. Louis erhalten hatte, stand zu lesen, dass die Handelsgesellschaft innerhalb der nächsten drei Jahre die Rocky Mountains mit ihren Niederlassungen erreicht haben wollte.
Das wusste auch Joshua, der die Indianerin in das leer stehende Blockhaus führte, das sie erst vor einigen Tagen gebaut hatten. Die Stämme rochen nach frischem Harz, und die beiden Stockbetten im Schlafraum waren noch unbenutzt. Er griff nach einem Bärenfell, das neben dem Kanonenofen lag, und breitete es auf einem der unteren Betten aus. »Leg dich hin«, sagte er zu ihr, »du brauchst Ruhe. Du bist verletzt.«
»Es ist nicht schlimm«, erwiderte sie.
Joshua griff nach ihrer linken Hand und ließ sie erst los, als sie sich auf das Bett gesetzt hatte. »Leg dich hin«, wiederholte er. »Ich verbinde deine Wunde und koche dir was zu essen.«
»Warum tust du das?«
»Ich muss es tun.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht.« Er wusste es tatsächlich nicht. Seitdem er sie zum ersten Mal gesehen hatte, war sie ihm nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Er hatte sie in seinen Träumen gesehen, er hatte ihre Seele und ihre Nähe gespürt. Ihre sanften Augen, ihre schlanke Gestalt. Er hatte ihre Stimme gehört, die wie ein leises Liebeslied über die Prärie geklungen war. Seinen Kumpanen hatte er nie davon erzählt. Sie hätten ihn nur ausgelacht und ihre derben Scherze mit ihm getrieben. Er erinnerte sich an ihren grimmigen Gesichtsausdruck, als sie die Assiniboins getötet hatte. Ihren verwunderten und beinahe zärtlichen Blick, als sie ihn über den Fluss hinweg angesehen hatte. Sie waren sich nahe gewesen, und er hatte gewusst, dass sie sich irgendwann und irgendwo begegnen würden.
Joshua war kein religiöser Mensch. Er war selten zur Kirche gegangen und hatte nie viel von Predigern gehalten. Er glaubte an Gott, an eine unerklärliche Macht, die alle lebendigen Dinge geschaffen
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