Das Lied der Cheyenne
hatte, aber seine Kirche waren die weiten Ebenen und die einsamen Täler der Rocky Mountains. Wenn er allein in den Bergen war, sprach er mit den Felsen, den Bäumen und den Sternen, und von ihnen hatte er erfahren, dass er die Indianerin wiedertreffen würde. Es gab keinen Schutzgeist, der mit ihm sprach. Aber es gab unerklärliche Sehnsüchte und Träume, die ihm in der Einsamkeit dieses Landes besonders deutlich wurden.
»Du bist kein Ve-ho«, erkannte sie, »du bist ein Mann meines Volkes. Ich sehe es in deinen Augen. Du glaubst an unsere Geister. Du hast dieselben Träume, weißer Mann.«
»Ich heiße Joshua«, sagte er.
»Jo-shu-a«, wiederholte sie langsam. »Jo-shu-a.« Die weißen Männer benutzten eine seltsame Sprache. Sie lächelte. »Ich werde dich ›Blaue Augen‹ nennen.« Sie deutete auf seine Augen und sagte den Namen in ihrer Sprache.
»Wie heißt du?«, fragte er.
»Büffelfrau«, antwortete sie, »ich bin Büffelfrau, die heilige Frau der tsis tsis tas. Ich gehöre zu den Hügelleuten.«
Er verstand das Zeichen für »Cheyenne« und nahm an, dass die Hügelleute ein eigenständiger Stamm dieses Volkes waren. Er wusste nicht viel über die Indianer. Im letzten Sommer hatte er einige Sioux getroffen und war mit ihnen in ihr Dorf geritten. Sie hatten ihn freundlich empfangen. Er hatte die besten Stücke einer Antilope bekommen und hatte mit ihnen getanzt und gesungen. Ein junges Mädchen hatte ihm die Zeichensprache beigebracht. Später war er unbeschadet wieder aus dem Dorf geritten. Von anderen Pelztierjägern hatte er gehört, dass die Sioux besonders wild und kriegerisch waren und jeden Weißen sofort töteten. Das mochte stimmen, wenn man sie nicht verstand und die Krieger gegen sich aufbrachte. Josh hatte sie als liebenswerte Freunde kennengelernt, die sogar über seine Geschichten gelacht hatten, die er mit einfachen Zeichen am großen Feuer erzählt hatte.
Mit den Blackfeet hatte er weniger Glück gehabt. Als er seine Fallen untersucht hatte, war er in drei junge Krieger gelaufen, die ihm am Ufer eines Sees aufgelauert hatten. Er hatte versucht, mit ihnen zu reden, hatte die Zeichen benutzt, die er bei den Sioux gelernt hatte, aber sie hatten sofort angegriffen. Er hatte sie mit einem gezielten Schuss aus seiner Hawken Rifle und zwei wuchtigen Axthieben getötet. Später hatte er sie nach indianischer Art in den Bäumen begraben. Er respektierte die Indianer. Sie mochten Wilde sein und irgendwelchen Unsinn glauben, aber er fühlte sich ihnen verwandt, und er hatte sich selten so gut gefühlt wie bei den Sioux.
»Ich nenne dich bei deinem Namen«, sagte er zu Büffelfrau. Er half ihr, sich auf das Bett zu legen, und hielt ihre Hand länger als notwendig. Es war eine schwielige Hand, die viel gearbeitet haben musste, aber sie strahlte Wärme aus.
»Ha-ho«, sagte Büffelfrau. Sie legte sich auf das Fell und entspannte sich. Der weiße Mann mit den blauen Augen hatte recht. Sie hatte viel Blut verloren und brauchte Ruhe. Eine Nacht in dieser Hütte, etwas Warmes zu essen, dann war sie wieder bei Kräften. Sie beobachtete, wie Blaue Augen in den angrenzenden Raum ging, und blickte sich neugierig in der Hütte um. Vieles war wie bei den Shar-ha. Die festen Wände, die bequemen Schlaflager, der festgestampfte Boden. Sonst aber war alles anders. Die Öffnungen in den Wänden, der feste Behälter, in dem das Feuer geschürt wurde, das Brett mit den Holzbeinen, auf dem eine Schüssel und zahlreiche Trinkgefäße standen, die Sitzgelegenheiten aus Holz und die weißen Stangen, die an der Spitze brannten und trübes Licht verbreiteten.
Blaue Augen stand vor dem schwarzen Behälter, in dem das Feuer brannte, und rührte in einem Topf. Er nahm einen Kessel von der heißen Platte und schenkte einen Becher voll. »Trink das«, sagte er in seiner Sprache, »hab’ ich selbst gebraut.«
Sie griff zögernd nach dem Becher und trank vorsichtig von der heißen Flüssigkeit. Kräutertee, stellte sie erleichtert fest, nur besser und süßer, als sie ihn gewohnt war. Er verbreitete angenehme Wärme in ihrem Körper. Sie trank den Becher leer und stellte ihn auf den Boden. Blaue Augen hatte inzwischen einen Verband und eine Dose mit übel riechender Salbe aus einer Tasche gekramt und kniete neben ihr nieder. Er legte beides auf das Bett und bedeutete ihr: »Ich verbinde deine Wunde. Das ist …« Es gab kein Zeichen für Salbe, und er überlegte eine Weile. » …Brei, der macht dich wieder
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