Das Lied der Cheyenne
gesund.«
»Brei?«
»Medizin«, fand er ein besseres Zeichen. Er griff nach einer Schere und lächelte, als sie ängstlich zurückzuckte. »Schere«, sagte er in seiner Sprache, weil es auch dafür kein Zeichen gab. »Zwei Messer, die schneiden. Für das Kleid und den Verband.«
Sie nickte schwach und wehrte sich nicht, als er ihr das Kleid bis zum Bauch hinaufschob. Sie trug Leggins und das lederne Band zwischen ihren Beinen, und es musste sein, wenn er ihre Wunde mit dem weißen Tuch verbinden wollte. Sie vertraute ihm. Die anderen Jäger hatten ein Loch in ihr Kleid geschnitten und einen bunten Fetzen auf die Wunde geklebt. Blaue Augen wollte einen festen Verband anlegen, wie es auch die tsis tsis tas bei schweren Wunden taten. Ihre Wunde war leicht, aber ein Verband war besser, wenn sie morgen reiten wollte.
Blaue Augen holte einen Becher mit heißem Wasser und löste den bunten Flecken von der Wunde. Er tauchte ein frisches Tuch in das Wasser und säuberte die blutigen Ränder. Die Wunde heilte bereits. Er schmierte die Kräutersalbe darauf und band einen festen Verband um ihren Körper. Er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss, als er ihren nackten Bauch berührte, aber auch sie war verlegen. Die Hände des Trappers waren rau und doch sanft und lagen warm auf ihrer Haut.
»Du hast kein Fieber«, sagte Joshua in seiner Sprache, nur um etwas zu sagen. »Es ist nicht schlimm«, signalisierte er.
Sie hielt seine Hand fest. »Du bist gut zu mir«, sagte sie in ihrer Sprache. Als er nicht verstand, ließ sie ihn lächelnd los und wiederholte mit Zeichen, was sie gesagt hatte.
»Morgen bist du gesund«, erwiderte er verlegen. Er vermied es, sie anzusehen, und zog ihr Kleid nach unten. Dabei entdeckte er das heilige Bündel. »Was ist das?«, fragte er neugierig?
»Die heiligen Pfeile meines Volkes«, antwortete sie feierlich, »sie sind unsere Seele und unser Leben. Es gibt sie nur einmal. Ohne sie haben wir keine Luft zum Atmen mehr. Ohne sie stirbt unser Volk.«
Davon hatte er noch nie gehört. Muss so etwas wie das Kreuz sein, das in unseren Kirchen hängt, dachte er.
»Maheo hat uns diese Pfeile geschickt«, fuhr sie fort. »Maheo. So heißt unser Gott. Die Pfeile geben uns Kraft und versprechen uns, dass wir viele Büffel jagen und viele Feinde töten.«
Büffelfrau hatte Vertrauen zu dem Mann mit den blauen Augen. Sie wusste nicht, warum, aber es war ihr wichtig, dass er sie verstand.
»Hör mir zu«, sagte sie, »denn dies ist die Geschichte unseres Volkes.« Sie erzählte von Süße Medizin, der die heiligen Pfeile gebracht hatte, und sie berichtete von dem alten Sieht-hinter-die-Berge, ohne seinen Namen zu benutzen. »Die Shar-ha haben unsere Pfeile gestohlen«, sagte sie.
»Die Shar-ha?«
»Ihr nennt sie anders?« Sie zuckte mit den Schultern und beschrieb die hornartigen Frisuren ihrer Feinde.
»Pawnees«, erkannte er.
»Sie haben die Pfeile gestohlen«, fuhr sie fort, »und ich habe sie zurückgeholt.« Sie schilderte, wie sie dem Morgenstern geopfert werden sollte und im letzten Augenblick entkommen war.
»Du bist eine tapfere Frau«, erwiderte Joshua. Er hatte nicht gewusst, dass die Pawnees auch Menschen opferten, aber es gab viel westlich des Mississippi, was er noch nicht wusste. Auf den Landkarten waren immer noch weiße Flecken, und jenseits der Berge gab es Indianerstämme, von denen noch nie jemand gehört hatte. »Der Krieger, der dir geholfen hat …«
»Er ist tot.«
Draußen war es dunkel geworden. Aus der Ferne drang das Grölen der betrunkenen Trapper herüber, und Joshua hatte die brennende Kerze ins Schlafzimmer gebracht. Das flackernde Kerzenlicht ließ das Gesicht der Indianerin noch sanfter und schöner aussehen und spiegelte sich in ihren dunklen Augen. Er liebte diese Frau, das wusste er, obwohl er noch nie jemanden geliebt hatte. Seine Mutter war bei seiner Geburt gestorben, und sein Vater hatte sich ohnehin nie blicken lassen, und die Tante, bei der er bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr gelebt hatte, war ihm keine Mutter gewesen. Er hatte sich als Soldat und Jäger durchgeschlagen, und er war mit einigen Mädchen ins Bett gestiegen, aber geliebt hatte er keine.
Bei Büffelfrau war alles anders. Er kannte die Indianerin kaum, und doch hatte er das Gefühl, schon jahrelang mit ihr zusammen zu sein. Es war ein seltsames Gefühl. Wenn er sie ansah, verlor er den Boden unter den Füßen, und in seinem Bauch summten tausend Bienen. Er verlangte nach ihr, nach
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