Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
Vom Netzwerk:
der wolkenlose Himmel zeigte an, dass es ein heißer Tag werden würde. Sie brütete dumpf vor sich hin und überlegte, was der Händler mit ihr vorhatte. Er hatte sie gekauft. Wollte er sie als Sklavin halten? Wollte er sie an einen anderen Stamm verkaufen? Er war ein schlechter Mann, und sie traute ihm alles zu. Hätte sie doch wenigstens ein Messer unter ihrem Kleid versteckt. Die heiligen Pfeile waren ihre einzige Waffe, aber nicht einmal an die kam sie heran. Sie war wehrlos wie ein kleines Kind.
    Tinker hatte die vordere Plane geöffnet und blickte sich alle paar Meter nach ihr um. Er traute ihr nicht, und er hatte Angst vor ihr, das sah sie in seinen flackernden Augen. Sie schöpfte Mut. Ihre Zeit würde kommen. Irgendwann löste er ihre Fesseln, und dann lag es an ihr, an eine Waffe zu kommen und ihn zu töten. Sein Skalp war dünn, aber sie würde die Flinte des Mannes und das rollende Tipi nach Hause bringen. Aiee, die Geister gehen seltsame Wege, dachte sie, sie schicken mir den Händler, damit ich an seine Waffe und das rollende Tipi komme. Aber was ist mit Blaue Augen? Werden sie ihn töten? Wird er mir folgen? Werden wir eine gemeinsame Zukunft haben?
    Gegen Mittag hielt Tinker am Ufer eines Baches. Das Wasser kam von den Felsen herab und sprudelte über zerklüftetes Gestein. Er stellte die Bremse im Schatten einiger Weiden fest und sprang vom Kutschbock. »Na, dann wollen wir doch mal sehen, was du wert bist!«, rief er grinsend. Er zog sein großes Messer und löste die Heckklappe. Büffelfrau sah die roten Flecken in seinem Gesicht und wusste, was er vorhatte. Vielleicht kam die Gelegenheit früher, als sie gedacht hatte.
    Der Händler zerschnitt eine Fessel und zerrte sie an den Füßen vom Wagen. Sie war steif von der langen Fahrt, und ihr Körper brannte vor Schmerz, als sie mit dem Rücken auf den Boden prallte. Sie rollte sich sofort zur Seite, sprang auf und wollte weglaufen, aber der weiße Mann kam ihr zuvor und trat ihr gegen ein Schienbein. Sie stürzte erneut, und er warf sich auf sie und drückte mit einem Knie ihre Beine auseinander. Ihre Hände waren noch gefesselt, und er brauchte nur eine Hand, um ihren Oberkörper auf den Boden zu pressen.
    »Dir werd’ ich’s zeigen, du kleine Schlange!«, fuhr er sie an.
    Büffelfrau spuckte ihm ins Gesicht. Ihre Beine zuckten nach oben, aber er war stärker, und sie kam nicht frei. Sie sah die Gier in seinen Augen und spürte seinen stinkenden Atem in ihrem Gesicht. Sie würde ihn töten. Sobald sich eine Gelegenheit bot, würde sie ihn umbringen. Sie würde ihn an einen Pfahl binden und seine blasse Haut in Streifen vom Körper reißen.
    Tinker riss ihr Kleid auseinander. Das Bündel mit den heiligen Pfeilen fiel heraus und landete im Gras. »He, was ist denn das?«, rief er verwundert. »Wolltest mir wohl einen Pfeil in den Rücken jagen.« Er lachte laut. »Daraus wird nichts, du kleine Schlampe!« Er warf das Bündel in den Bach und machte sich an seiner Hose zu schaffen. Die Lust machte ihn unvorsichtig, und er lockerte seinen Griff und den Druck seines rechten Beins.
    Büffelfrau erkannte ihre Chance. Sie riss beide Knie hoch und traf den Händler voll zwischen die Beine. Mit einer raschen Bewegung zog sie das Messer hinter seinem Gürtel hervor. Sie erwischte ihn am linken Arm, dann krachte seine Faust auf ihre Stirn, und sie fiel benommen ins Gras zurück. Er griff nach dem Messer und hätte ihr am liebsten die Kehle durchgeschnitten, aber die Sucht nach zehntausend Dollar war größer. So viel wollte er mit ihr verdienen, bevor er sie tötete und irgendwo in die Gosse warf. Kein Mensch kümmerte sich darum, wenn man eine Indianerin tötete, schon gar nicht, wenn sie zu einem der wilden Stämme aus den fernen Ebenen gehörte.
    »Das wirst du mir büßen!«, fuhr er die Indianerin an. Er steckte das Messer weg und fesselte ihr die Hände auf dem Rücken. Mit dem anderen Strick band er sie an die Heckklappe des Wagens. In seinem Unterleib tobte der Schmerz, und seine Augen waren blutunterlaufen. Er zerrte die Indianerin vom Boden hoch. »Jetzt wollen wir doch mal sehen, wie gut du laufen kannst!« Er stieg auf den Kutschbock, nahm einen tiefen Schluck aus seiner Wasserflasche und ließ die Peitsche knallen.
    Die Pferde zogen an, und Büffelfrau wurde heftig nach vorn gerissen. Der Strick bohrte sich in ihre Handgelenke. Sie stolperte, fing sich wieder und lief wie ein willenloses Pony hinter dem rollenden Tipi her. Sie hatte ihre magische

Weitere Kostenlose Bücher