Das Lied der Cheyenne
letzte Jagd unterhältst Aber es ziemt sich nicht, deine Gefühle zu offenbaren. Es muss viel Zeit vergehen, bis du auf die Werbung eines Jungen antworten darfst. Das lange Warten vertieft die wahren Gefühle. Ich habe drei Winter in Keuschheit gelebt, bis ich die Lieder von Wiesel erhört und ihn geheiratet habe.«
»Wie war er, dein Mann?«, fragte Büffelfrau.
»Er war ein tapferer Krieger«, antwortete die Großmutter stolz, »er hat viele Coups geschlagen und viele Pferde erbeutet. Er wurde fünfmal verwundet, und sein Name wird in den Erdhütten der Shar-ha noch heute mit Ehrfurcht ausgesprochen, aber er starb nicht im Kampf, wie es sein Wunsch gewesen war. Der strenge Winter schwächte seinen Körper, und er schlief ein.«
»Ich erinnere mich, Großmutter.«
Büffelfrau dachte an die Erzählungen ihres Vaters. Er hatte den Namen von Wiesel oft erwähnt und immer gut über ihn gesprochen. Er war dabeigewesen, als Büffelhöcker zum ersten Mal einen Kriegertrupp gegen die Shar-ha geführt hatte. Es war zu einer großen Schlacht gekommen, und sie waren mit Skalpen beladen in ihr Dorf zurückgekehrt. Aiee, die Zeiten waren gut gewesen. Die Hügelleute hatten die Prärie beherrscht und waren wie ein Sturmwind über die Ebenen gebraust. Maheo hatte über seine Kinder gewacht, und der Staub über den Büffelherden hatte den Himmel verdunkelt.
»Es waren gute Jahre«, sagte Rehfrau leise.
»Das sagt mein Vater auch«, erwiderte Büffelfrau. Sie erinnerte sich an die vielen Geschichten, die sie über große Kriege und abenteuerliche Jagden gehört hatte. »Ich höre die Geschichten gern.«
»Es waren schwere Zeiten, und es waren gute Zeiten«, erklärte die alte Frau. »Ich habe gelacht, als Wiesel viele Coups im Dorf der Shar-ha schlug und viele Büffel erlegte, und ich habe geweint, als meine beiden Söhne im Kampf gegen die Ho-he fielen. Es war ein gutes Leben, meine Tochter, aber in der Erinnerung sind alle Zeiten gut. Die Zukunft ist immer ungewiss.«
Daran dachte Büffelfrau, als sie vor dem Schlafengehen ihre Hände hob und betete. »Wache auch in Zukunft über uns, Maheo«, bat sie. »Schick uns die großen Büffelherden und ermutige unsere Krieger, wenn sie in den Kampf gegen die Shar-ha, Ho-he oder Ni-mou-sin ziehen. Erhöre unsere Gebete und stärke die heiligen Pfeile, die unser Schicksal bedeuten.«
Sie rollte sich in ihr Fell und hörte dem Knistern des Feuers zu, bis sie eingeschlafen war. Auch in ihrem Traum war ein Geräusch zu hören, aber diesmal kam es von dem Regen, der in ihren Gedanken auf das Tipi prasselte. Donnervogel hatte seine Schwingen ausgebreitet und warf einen dunklen Schatten auf das Dorf der Hügelleute. Er rollte schwere Steine über die Erde und schleuderte grelle Feuerspeere auf das Land. Ein heftiger Wind zerrte an den Zeltplanen, und der Boden zitterte.
Büffelfrau hatte große Angst. Sie kauerte zwischen den Fellen und schrak jedes Mal zusammen, wenn ein Felsbrocken über die Prärie rollte und die Feuerlanzen zuckten. Im Schein des Feuers, das immer noch in ihrem Tipi brannte, sah sie das Bündel mit den heiligen Pfeilen auf dem Boden liegen. Wer hatte sie dort hingelegt? Wer hatte sie aus dem Tipi des alten Sieht-hinter-die-Berge gestohlen, der die Pfeile als Einziger berühren durfte? Er war der Pfeilbewahrer des Volkes, er hob sie an einem heiligen Platz in seinem Tipi auf.
Heftiges Grollen erschütterte den Boden, und sie beobachtete entsetzt, wie unsichtbare Hände die Lederschnur von dem Kojotenfell zogen. Ein Windstoß öffnete das Bündel, und die heiligen Pfeile lagen ungeschützt im Schein des Feuers.
»Maheo!«, rief das Mädchen.
Eine Feuerlanze riss einen breiten Spalt in die Zeltwand. Der Wind schob die Häute auseinander, und der Regen stürmte in das Tipi und löschte das Feuer. Eine dunkle Gestalt schlich herein, und im flackernden Schein einer weiteren Feuerlanze sah Büffelfrau, wie dunkle Hände nach den Pfeilen griffen.
»Nein!«, rief sie. »Maheo! Das darfst du nicht zulassen!«
Sie zerrte an der fremden Gestalt und wurde in einen heftigen Kampf verwickelt. Sie rollten über den Boden und wälzten sich im Schlamm. Der Regen peitschte durch die offene Zeltwand. »Nein!«, rief Büffelfrau immer wieder. Sie öffnete die Augen und hielt das Kleid der alten Frau in beiden Händen.
Rehfrau kniete vor ihr und sah sie besorgt an. »Du hast geträumt, Büffelfrau! Du hast nur geträumt!«
»Großmutter! Ich …«
»Es ist gut, meine
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