Das Lied der Cheyenne
stellte die Ohren auf und ging ein paar Schritte. Am Himmel schlug ein Adler mit den Flügeln und ließ sich vom Wind nach Süden tragen. Der alte Wolf kehrte um und versteckte sich zwischen einigen Felsbrocken.
»Was wollt ihr mir sagen?«, fragte Büffelfrau nervös.
Ein gewaltiges Donnern rollte durch das Tal. Irgendwo schien sich ein Gewitter anzubahnen, aber der Himmel war blau, und die Sonne schien, und die Schwingen des Donnervogels waren nicht zu sehen. Die Erde begann zu zittern, und jenseits des Flusses stieg Staub empor. Hinter den Hügeln am Ufer ging etwas Sonderbares vor, und Büffelfrau schickte ein schnelles Gebet zu Maheo und bat ihn um Hilfe.
Die Antwort blieb aus, und sie bestieg das nervöse Pony. Mit einem Aufschrei lenkte sie es in den Fluss. Sie nahm den Bogen vom Rücken und zog einen Pfeil aus dem Köcher. Seitdem sie zur Frau geworden war, ritt sie nie ohne ihre Waffen aus. Der Bogen, den ihr Vater aus kräftigem Weidenholz gefertigt hatte, gab ihr ein Gefühl der Sicherheit. Sie konnte besser damit umgehen als Roter Mond, Kleiner Falke und Weißer Biber, obwohl die jungen Krieger das niemals zugegeben hätten.
Sturmwind verlor den Boden unter den Hufen. Die Strömung trieb ihn flussabwärts, und Büffelfrau musste ihn kräftig anfeuern, um nicht zu weit abgetrieben zu werden. Das Wasser war kalt. Sie wich einem treibenden Baumstamm aus und beugte sich weit nach vorn, als Sturmwind endlich festen Boden unter die Hufe bekam und das andere Ufer erklomm. Das Donnern war noch lauter geworden, und aufwallender Staub verdunkelte die Sonne. Sie ahnte jetzt, was sie jenseits der Hügel erwartete, und trieb ihr Pony jauchzend den steilen Hang hinauf. Oben angekommen, verharrte sie ehrfürchtig und staunend im Sattel.
Die Büffel waren zurückgekommen. Eine gewaltige Herde von braunen und zottigen Leibern ergoss sich wie ein niemals enden wollender Strom durch das Tal. Ihre Hufe trommelten über den Boden und wirbelten Staub und Dreck auf. Die Tiere waren in der wogenden Staubwolke nur schemenhaft zu erkennen. Es war ein erhebender Anblick, und Büffelfraus Herz hüpfte vor Freude, als sie sah, wie die Tiere vor der Biegung des Flusses langsamer wurden und sich auf der Ebene verteilten. Sie waren gekommen, um die Hügelleute am Leben zu erhalten.
Büffelfrau reckte beide Hände zum Himmel und sprach ein Gebet. Sie dankte Maheo dafür, dass er die Büffel geschickt hatte, und verneigte sich vor den vier Himmelsrichtungen. Die Kraft der vier heiligen Pfeile war stark. Ihr böser Traum hatte keine Auswirkungen gehabt, und es war ihr gestattet, die Kunde von der Rückkehr der Büffel ins Dorf zu tragen. Sie würden tanzen und feiern, und die Krieger würden sich auf die große Jagd vorbereiten. »Auch ich werde diesmal auf die Jagd gehen«, sagte sie entschlossen und ohne darüber nachzudenken. »Ich weiß, ich bin stark genug, um mit den Kriegern zu reiten.«
Sie wartete, bis ihre Augen sich an dem glorreichen Anblick sattgesehen hatten, und wendete ihr Pony. Sie schwamm ans andere Ufer zurück und sprengte im vollen Galopp zum Dorf. »Ei-e-ya! Ei-e-ya! Die Büffel sind zurück!«, rief sie. »Maheo hat uns die Büffel geschickt! Ich habe es gesehen!«
Die Kunde verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Dorf. Alle hatten sehnsüchtig auf die Rückkehr der Büffel gewartet und waren begierig darauf, die Tiere zu jagen. »Morgen früh, wenn die Sonne aufgeht, wird es so weit sein«, sagte Bärenkopf. »Heute Abend wollen wir tanzen und den Geistern dafür danken, dass sie uns nicht vergessen haben.« Er ging in sein Tipi und rauchte die Pfeife mit Büffelhöcker, der die Jagd mit seinen Hundesoldaten leiten würde. Es wurde beschlossen, die Frauen und Kinder mitzunehmen. Die Büffel waren nicht weit entfernt, und sie würden die Kadaver abhäuten und zerteilen.
Büffelfrau stieg vom Pony und ging zu Sieht-hinter-die-Berge, der vor seinem Tipi stand, die knochige Hand auf seinen Stock gestützt. Er schien während der letzten Tage gealtert zu sein. »Ich grüße dich, Onkel«, sagte sie fröhlich. »Hast du gehört? Ich habe die Büffel gesehen.«
Der Schamane nickte. »Das ist gut, mein Kind. Es ist ein gutes Zeichen. Maheo will, dass du meine Nachfolgerin wirst. Es wird Zeit für mich, auf die andere Seite zu gehen.«
»Sag das nicht, Onkel!«
»Es ist die Wahrheit, und ich bin nicht traurig darüber. Du hast viel gelernt. Du lebst mit der Natur, und die Geister mögen dich. Du bist stark, und ich
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