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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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schwere Aufgabe übernommen, das wusste sie aus den Erzählungen des Volkes. Es war vermessen, daran zu denken. Sie war noch nie auf den Kriegspfad geritten, sie hatte noch nie einen Coup geschlagen und kein einziges Pony erbeutet. Sie verfügte über magische Kräfte, das sagte sogar Sieht-hinter-die-Berge, es gelang ihr, mit den Geistern in Verbindung zu treten, aber sie besaß nicht die Weisheit eines Mannes wie Büffelhöcker.
    Nur, wie sollte sie die Pfeile schützen, wenn sie nicht in der Nähe waren? Büffelfrau dachte lange darüber nach, fand aber keine Antwort. Ihr Schutzgeist würde sie wissen. Nach der ersten Büffeljagd würde sie in die heiligen Berge ziehen und so lange fasten, bis sie eine Vision bekam. Sie würde erkennen, was die Geister von ihr verlangten, und sie würde eine Antwort auf die vielen Fragen bekommen, die sie quälten.
    Die folgenden Nächte waren traumlos, und Büffelfrau spürte, wie ihr Körper von der neuen Kraft beseelt wurde. Sie war zur Frau geworden, sie war erwachsen. Sie atmete den Rauch des heiligen Feuers und stellte sich mit gespreizten Beinen über einen glühenden Holzscheit, als die vier Tage ihrer Reinigung vorüber waren. Sie sang und betete, bis der Rauch ihren Körper befreit hatte, und ließ sich von der alten Frau die rote Farbe abwaschen. »Ich danke dir, Rehfrau«, sagte sie laut.
    Dann trat sie vor das Tipi und blinzelte in die Sonne, die über den heiligen Bergen aufgegangen war. Es tat gut, wieder frische Luft zu atmen. Es tat gut, die Welt als Frau zu betreten. »Aiee, ich danke dir«, sagte sie noch einmal und ging zu den anderen.

11
Büffel
    Büffelfrau gewöhnte sich nur langsam an das breite Band aus weichem Leder, das zwischen ihren Beinen hing und an den Hüften verknotet war. Sie trug es wie eine Auszeichnung unter ihrem reich verzierten Kleid aus weichem Hirschleder, das Windfrau für sie gefertigt hatte. Sie sah prächtig darin aus. Von ihrem Vater hatte sie ein neues Pony bekommen, das sie »Sturmwind« nannte und fast jeden Tag über die weiten Ebenen außerhalb des Dorfes trieb. Sie zählte jetzt vierzehn Jahre, und es war gut, erwachsen zu sein.
    Nachdem sie das alte Gras verbrannt hatten, waren neue Schösslinge gewachsen, und die Prärie leuchtete grün in der hellen Frühlingssonne. Am großen Fluss, der sich in einer weiten Biegung um das Dorf wand, wuchsen bunte Blumen. So musste es am Tag der Schöpfung ausgesehen haben, als die ersten tsis tsis tas aus der Erde gekommen waren. Sie schienen die einzigen Menschen auf der weiten Ebene zu sein, und der kalte weiße Mann aus dem Norden war für immer aus ihrer Welt verschwunden. Es war gut, das Dorf auf einem Pony zu verlassen und den frischen Wind aus dem Süden zu spüren.
    Wenn sie ihr Pony zügelte, hörte sie die Bienen und andere Insekten über den Blumen summen. Sie sah kleine Tiere über den Boden huschen und hörte den Ruf des Adlers, der seine dunklen Schwingen in der Sonne ausbreitete. Sie vernahm das Lachen ihrer Seele, die Maheo nahe war und ihr ein Gefühl des Friedens und der Freiheit vermittelte. Es gab kein Wort für Freiheit in ihrer Sprache, weil es in ihrer Welt noch niemals Grenzen gegeben hatte, aber sie spürte, wie sich ihre Seele erhob und wie ein Vogel über der Prärie schwebte.
    Sie lenkte Sturmwind auf eine Anhöhe und blickte in das Tal hinab, das sich zu beiden Seiten des Flusses erstreckte. Der Wind strich über das neue Gras und zauberte Muster im hellen Sonnenlicht. Am Ufer wuchsen Cottonwoods. Ein einsamer Wolf lief am Fluss entlang und zog eine dunkle Spur durch das Gras. Er spürte die Nähe des Mädchens und hatte Angst, von ihr gejagt zu werden. Seine große Zeit war längst vorbei, und er verließ sich auf die Büffelherden, die im Frühjahr nach Süden kamen. Er war viel zu schwach, um erwachsene Kühe zu reißen, aber in jeder Herde gab es junge und schwache Tiere, die zurückblieben und eine sichere Beute für ihn waren.
    Büffelfrau ritt zum Fluss hinab. Er wälzte sich träge nach Süden und schimmerte so grün wie das Präriegras. Im Wasser spiegelten sich die Kronen der Bäume. Sie war ungefähr eine Stunde vom Dorf entfernt und der einzige Mensch in einem weiten Umkreis. Es war ein gutes Gefühl, allein mit den Tieren und der lebendigen Natur zu sein. Am Flussufer sprang sie vom Rücken ihres Ponys und blieb im Schatten eines Cottonwood-Baumes stehen. Sie genoss den Wind und hörte dem Rauschen des Flusses zu.
    Sturmwind schnaubte leise. Er

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