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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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werden die Büffel auch nächstes Jahr wieder kommen.«
    Büffelfrau, die auch als Nachfolgerin von Sieht-hinter-die-Berge nicht zu dem Tanz zugelassen war, ging nach draußen und begegnete Weißer Biber, der gerade die Hütte betreten wollte. Er hatte seinen Körper mit blauer Farbe und weißen Punkten bemalt und trug lediglich seinen Lendenschurz. Um den Hals hatte er seine Tanzpfeife aus Adlerknochen hängen.
    »Büffelfrau«, sagte er verlegen. Er war der jungen Frau aus dem Weg gegangen und hatte gehofft, ihr erst nach der Mutprobe am achten Tag zu begegnen. Er holte tief Luft und straffte seinen Körper. »Ich bin gekommen, mein Versprechen einzulösen. Ich werde diese Hütte erst verlassen, wenn die Pflöcke meine Haut durchschnitten haben. Das verspreche ich.«
    »Das ist gut«, sagte sie, »ich bin bei dir.«
    Weißer Biber nickte dankbar und verschwand in der Hütte. Sie blickte ihm nach und fühlte mit ihm, dann sattelte sie ihr Pferd und ritt in die Hügel, die im Norden an das Lager grenzten. Sie wollte allein sein, wenn der Tanz begann. Sie wollte fasten und nachdenken und mit den Geistern sprechen. Der dumpfe Klang der Trommeln verfolgte sie, bis sie einen schmalen Fluss durchquerte und Sturmwind zwischen die Bäume lenkte.

15
Mutprobe
    Der achte Tag begann. Die Sonne schob sich groß und leuchtend über die Hügel und überschüttete das Dorf mit goldenem Licht. Zarte Schatten wanderten zwischen den Tipis. Die ersten Kinder rannten zum Fluss und stürzten sich in die kühlen Fluten, die Frauen holten Wasser und zündeten die Feuer an. Der Ausrufer ritt an den Zelten vorbei und verkündete, dass der große Tag gekommen war. Wenn die Sonnenstrahlen auf die Medizinhütte fielen, würden sich die jungen Krieger der Mutprobe unterziehen. Es war der wichtigste Tag im Leben von Roter Mond, Kleiner Falke und Weißer Biber, und Büffelfrau ritt ins Dorf zurück, um diesen Tag mit ihrem Volk zu verbringen.
    Sie hatte die Sonne dreimal allein aufgehen sehen. In den Wäldern hatte sie mit den Tieren und den Bäumen gesprochen und zu den Geistern gebetet, die Weißer Biber und die anderen jungen Männer während der Prüfung beschützen sollten. Die Einsamkeit hatte ihr gutgetan. Sie hatte die Wunder der Natur beobachtet, den Himmel mit seinen Wolken, die wie ziehende Büffel aussahen, die Bäume, deren Kronen im warmen Wind wogten, die Blumen, deren bunte Blüten sich nach der Sonne reckten. Sie genoss die Ruhe, die ihren ganzen Körper ausfüllte, und verneigte sich vor den geheimnisvollen Kräften. Alle Dinge lebten, und sie war nur ein kleiner Teil des großen Wunders, das der Große Geist erschaffen hatte.
    Vor dem Tipi ihrer Eltern stieg sie vom Pferd. Büffelhöcker und seine beiden Frauen waren in der Medizinhütte, wie es die strengen Regeln des Sonnentanzes vorschrieben. Sie pflockte Sturmwind an und begrüßte Otterfrau und Blitzfrau, die aufgeregt vom Fluss heraufkamen. »Büffelfrau«, rief eine der beiden jungen Frauen, »wo bist du gewesen?«
    »In den Hügeln«, erwiderte sie. Die Morgensonne zauberte einen geheimnisvollen Glanz auf ihr schwarzes Haar und ließ es wie das Gefieder eines Raben leuchten. »Ich habe für die jungen Männer gebetet, die heute ihre Mutprobe ablegen.«
    Blitzfrau, die ein paar Pfunde abgenommen hatte, seit Kleiner Falke ihr den Hof machte, blickte sie ernst an. »Du bist geheimnisvoll, nicht mehr wie früher, als wir im Fluss spielten oder um die Wette ritten.«
    »Wir haben uns alle verändert«, erwiderte Büffelfrau, »wir sind zur Frau geworden, und einige von uns werden bald heiraten.« Sie lächelte schwach. »Kleiner Falke ist sehr tapfer. Er wird dich gut versorgen und dir viele gesunde Kinder schenken.«
    »Und du?«, fragte Blitzfrau. »Wirst du auch heiraten? Du bist anders als wir. Du denkst viel nach und sprichst mit dem Großen Geist. Du hast den Büffel gejagt. Die alten Männer sagen, dass es seit vielen Wintern keine solche Frau mehr gegeben hat.«
    Büffelfrau winkte ab. »Die alten Männer übertreiben. Ich bin nicht viel anders als du und Otterfrau. Wenn meine Vision es erlaubt, werde ich heiraten und Kinder bekommen.« Sie lächelte wieder. »Wenn ich den richtigen Mann finde.«
    »Den hast du doch längst gefunden«, erwiderte Blitzfrau mit dem Lächeln, das Kleiner Falke verzaubert hatte, »das ganze Dorf weiß, dass Weißer Biber die Mutprobe ablegt. Er tut es nur für dich. Weil er glaubt, dass er deiner nicht würdig ist. Er will so tapfer sein

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