Das Lied der Cheyenne
Das war lange her. Jetzt ritt sie mit den tapfersten Kriegern der Hügelleute durch Feindesland, und es war kaum etwas von dem Hochgefühl zu spüren, das sie als Kind in ihren Träumen empfunden hatte. Dunkle Schatten lagen über ihrem Volk, das eine bittere Niederlage gegen die Shar-ha erlitten hatte und von den Geistern im Stich gelassen worden war.
»Du machst dir Sorgen um Weißer Biber«, sagte Büffelhöcker zu seiner Tochter, »du hast Angst, dass er genauso handelt wie der junge Krieger, der gestorben ist.«
»Nein«, erwiderte sie, »das wird nicht geschehen. Weißer Biber hat keine Verwandten verloren. Er will nur zeigen, dass er ein großer Krieger ist. Er will viele Coups schlagen und blutige Skalps an seinen Bogen binden. Er tut es um meinetwillen.«
»Auch das ist gefährlich«, erkannte Büffelhöcker, »die Liebe macht selbst aus erfahrenen Männern blinde Kojoten. Listig und gewandt, aber dumm.« Er blickte seufzend ins Halbdunkel des Waldes und hoffte insgeheim, dass Wolfsgesicht und Weißer Biber umkehrten. »Aiee, ich wollte, er wäre hiergeblieben.«
»Wolfsgesicht ist bei ihm«, sagte sie, »er wird verhindern, dass so etwas geschieht.« Sie hoffte, dass die Macht der Pfeile stark genug war und die beiden Krieger schützte. Die bösen Bilder aus ihren Träumen durften keine Wahrheit werden. Sie blickte ihren Vater beinahe trotzig an. »Nein, ich mache mir keine Sorgen um Weißer Biber. Ich habe Angst um mein Volk. Ich spüre die dunklen Schwingen des Donnervogels über uns.«
»Ich weiß«, erwiderte Büffelhöcker. »Du hast Angst, dass unsere Feinde die heiligen Pfeile stehlen. Das hast du am Feuer gesagt. Du denkst, die Shar-ha töten Wolfsgesicht und Weißer Biber und stürzen unser Volk ins Unglück.«
Genau davor hatte Büffelfrau Angst, aber sie gab es nicht zu. Sie hoffte immer noch, dass die Kraft der Pfeile stärker als die dunklen Bilder war. Sie hatte alles getan, die Geister günstig zu stimmen. Sie waren nur mit einem kleinen Kriegertrupp auf den Kriegspfad geritten, und Wolfsgesicht hatte die heiligen Pfeile erneuert, ihnen neue Kraft gegeben. Sie hatten gebetet, gefastet und geschwitzt. Es durfte nichts geschehen. »Ich weiß es nicht«, wich sie ihrem Vater aus.
»Wolfsgesicht und Weißer Biber werden nicht kämpfen«, sagte Büffelhöcker wieder, »sie beobachten unsere Feinde nur. Wenn unsere Medizin schlecht ist, kehren wir um. Wir fasten in den Bergen und bitten die Geister, uns beizustehen. Dann reiten wir noch einmal gegen die Shar-ha. Es ist nicht gut, in einen Kampf zu ziehen, wenn die Schamanen böse Träume haben.«
»Wolfsgesicht will kämpfen«, erwiderte Büffelfrau betrübt, »er hat die dunklen Schatten aus seinen Träumen längst vergessen. Er vertraut der starken Medizin der Pfeile. Auch ich vertraue ihr, aber meine Träume werden immer schlechter. Die Bilder sind rot wie unser Blut, und ich habe Angst vor einer neuen Niederlage. Der Tod des jungen Kriegers sollte eine Warnung sein.«
»Er war selbst schuld.«
»Das wissen wir nicht.«
Büffelhöcker überlegte angestrengt und stimmte seiner Tochter zu. »Wir warten auf Wolfsgesicht und Weißer Biber und hören, was sie zu sagen haben. Wenn unsere Medizin schlecht ist, reiten wir nach Hause zurück. Ich habe gesprochen.«
Büffelfrau war zufrieden. Sie trieb ihr Pony in den Schatten eines großen Baumes und aß von dem Trockenfleisch, das sie in ihrer Ledertasche aufbewahrte. Sie spülte den Bissen mit Wasser hinunter. Nach dem Gespräch mit ihrem Vater fühlte sie sich noch unwohler, und ihre Gedanken wirbelten wie ein stürmischer Herbstwind in ihrem Kopf. Eine unsichtbare Decke lag über ihrem Kopf und raubte ihr den Atem. Sie spürte die Nähe ihres Schutzgeistes, obwohl er nicht zu sehen war, und sie roch das Blut in seinen Augen.
»Ich reite ihnen nach«, sagte sie zu Büffelhöcker, »die Schatten werden dunkler.« Ein unbestimmtes Gefühl zwang sie dazu. Sie behielt den Bogen in der Hand und folgte den Spuren von Wolfsgesicht und Weißer Biber. Das Laub knisterte unter den Hufen von Sturmwind. Sie duckte ihren Kopf unter den tief hängenden Zweigen und blickte angestrengt in das Halbdunkel. Nur an wenigen Stellen des Waldes kämpfte sich das Sonnenlicht bis ins Unterholz vor. Überall im Schatten konnten Shar-ha lauern, und sie hoffte, dass ihre Medizin stark genug war, sie von den Hügelleuten fernzuhalten.
Ein Schuss fiel, dumpf und wie aus weiter Ferne. Hufschlag erklang. Die schrillen
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