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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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in der weichen Matratze versank.
    Er schlief rasch ein, doch schon bald wurde er durch laute Stimmen geweckt. Vorsichtig ließ er sich aus dem Bett gleiten und verließ das Zimmer, um den Geräuschen zu folgen. Die Korridore und Säle der weitläufigen Villa waren verwaist, da sich das Gesinde schlafen gelegt hatte. Arlen pirschte die breite Treppe nach oben, und die Stimmen nahmen an Deutlichkeit zu. Ragen und Elissa stritten lebhaft miteinander.
    »… nehme ihn zu mir, und das ist mein letztes Wort!«, fauchte Elissa. »Als Kurier über die Straßen zu ziehen, ist ohnehin keine Arbeit für einen Jungen!«
    »Aber es ist sein Wunsch«, betonte Ragen.
    Elissa schnaubte. »Arlen einfach abzuschieben, ihn fremden Leuten zu überlassen, macht deine eigene Schuld nicht geringer. Du hast falsch gehandelt, als du ihn nach Miln mitgenommen
hast. Du hättest ihn zu seinem Vater zurückbringen müssen!«
    »Dämonenscheiße«, schnauzte Ragen. »Du willst ja nur jemanden haben, den du Tag und Nacht bemuttern kannst!«
    »Wage es nicht, den Spieß umzudrehen und mir irgendwelche eigennützigen Motive zu unterstellen!«, zischte Elissa. »Als du den Entschluss gefasst hast, Arlen nicht nach Tibbets Bach zurückzubringen, hast du - und nur du allein! - die Verantwortung für ihn übernommen! Es wird höchste Zeit, dass du das einsiehst und aufhörst, dich nach jemandem umzusehen, der für den Jungen sorgt.«
    Arlen lauschte angestrengt, doch Ragen ließ sich viel Zeit mit der Antwort. Am liebsten wäre er in dieses Gespräch hineingeplatzt und hätte erklärt, dass er alles mitangehört hatte. Er wusste, dass Elissa es gut mit ihm meinte, aber er war es leid, dass Erwachsene sein Leben für ihn verplanten.
    »Also gut«, sagte Ragen schließlich. »Was hältst du davon, wenn ich ihn zu Cob schicke? Er wird den Jungen gewiss nicht dazu ermutigen, Kurier zu werden. Ich komme für sämtliche Kosten auf, und wir können den Laden regelmäßig besuchen, um ein Auge auf ihn zu haben.«
    »Ich finde die Idee großartig«, stimmte Elissa aus vollem Herzen zu; ihr zänkischer Ton war verschwunden. »Aber es gibt keinen Grund, weshalb Arlen nicht bei uns wohnen sollte. Er braucht nicht auf einer harten Bank in einer unaufgeräumten Werkstatt zu schlafen.«
    »Lehrjahre sind keine Herrenjahre«, hielt Ragen dagegen. »Wenn er die Kunst des Bannzeichnens beherrschen will, muss er sich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in der Werkstatt tummeln. Und sollte er letzten Endes seinen Plan, Kurier zu werden, durchsetzen, dann braucht er die beste Ausbildung, die man nur haben kann.«

    »Na schön«, gab Elissa knurrig nach, doch gleich darauf fuhr sie mit sanfter Stimme fort: »Und jetzt komm und zeuge ein Kind mit mir!«
    Arlen flüchtete sich in sein Zimmer.

    Wie immer, wurde Arlen schon vor der Morgendämmerung wach, doch im ersten Moment glaubte er, er müsse noch schlafen und träumen, dass er auf einer Wolke schwebte. Dann fiel ihm wieder ein, wo er sich befand, und er fing an, sich genüsslich zu rekeln; er schwelgte in dem Gefühl, auf einer herrlich weichen, mit Federn ausgestopften Matratze zu liegen, und unter der dicken Steppdecke war ihm wohlig warm. Das Feuer im Kamin war bis auf ein Häufchen Glut niedergebrannt.
    Die Versuchung, noch ein Weilchen länger im Bett liegen zu bleiben, war stark, doch der Druck auf seiner Blase trieb ihn dann doch aus dem warmen, weichen Nest. Er rutschte auf den kalten Fußboden hinunter und hangelte die beiden Nachttöpfe unter dem Bett hervor, wie Margrit ihn angewiesen hatte. In einen ließ er sein Wasser ab, in den anderen machte er sein großes Geschäft. Dann stellte er sie zum Abholen neben die Tür, weil man den Inhalt zum Düngen der Gärten benutzte. Der Boden in Miln war steinig, und die Bewohner der Stadt verschwendeten nichts.
    Arlen trat ans Fenster. In der vergangenen Nacht hatte er darauf gestarrt, bis ihm die Augen zufielen, doch das Glas faszinierte ihn immer noch. Es sah nach nichts aus, aber es fühlte sich fest und hart an, wie ein Siegelnetz. Er strich mit einem Finger über das von der morgendlichen Feuchtigkeit beschlagene Glas und zeichnete eine Linie in den milchigen Film. Sich
an die Zeichen auf Ragens tragbarem Bannzirkel erinnernd, verwandelte er diesen Umriss in eines der Symbole. Er malte noch ein paar mehr, hauchte gegen das Glas, um seine Arbeit zu löschen, und fing dann von Neuem an.
    Als er fertig war, zog er sich an und ging nach unten; er traf Ragen, der an

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