Das Lied der Dunkelheit
Blutergüssen zeigte.
»Wir haben es ihm gegeben, was?«, nuschelte der Kurier und kicherte schwach. Er zuckte zusammen, weil jede Bewegung seiner Gesichtsmuskeln ihm Schmerzen bereitete.
Leesha goss ein wenig von dem hochprozentigen Fusel, den Smitt in seinem Keller brannte, auf das Tuch.
»Aahhh!«, japste Marick, als sie damit sein Gesicht berührte.
»Das geschieht dir recht«, erklärte Leesha ungerührt. »Du hättest es nicht auf einen Kampf ankommen lassen dürfen. Warum hast du dich nicht einfach umgedreht und bist weggegangen, als es noch ging? Selbst wenn du eine Chance gehabt hättest, diesen Streit zu gewinnen, wäre es klüger gewesen, einen Rückzieher zu machen. Ich brauche deinen Schutz nicht, und ein Mann, der glaubt, in der Achtung einer Kräutersammlerin zu steigen, wenn er sich auf eine Schlägerei einlässt, imponiert mir genauso wenig wie ein primitiver Raufbold vom Schlage eines Gared Holzfäller. Falls du dir einbildest, du könntest dich durch solchen Unfug bei mir einschmeicheln, hast du dich geirrt.«
»Gared hat den Streit angefangen, nicht ich!«, protestierte Marick.
»Du hast mich enttäuscht, Meister Marick«, versetzte Leesha. »Ich hätte nie gedacht, dass ein Kurier so dumm sein kann.« Verlegen senkte Marick den Blick.
»Bringt ihn auf sein Zimmer in Smitts Gasthof«, forderte sie ein paar in der Nähe herumlungernde Männer auf, die sich beeilten, ihrer Bitte nachzukommen. Mittlerweile schlug ihr kaum jemand im Tal der Holzfäller mehr einen Wunsch ab.
»Bis morgen früh verordne ich dir strenge Bettruhe«, wandte sich Leesha an Marick. »Und sollte ich hören, dass du vorher aufgestanden bist, bin ich noch wütender auf dich.«
Marick lächelte matt, als die Männer ihn auf die Füße stellten und ihn wegführten.
»Das war fantastisch«, hauchte Mairy, als Leesha zu ihr ging, um ihren Korb mit den Kräutern zu holen.
»Es war nichts weiter als eine bodenlose Dummheit, der schleunigst Einhalt geboten werden musste!«, schnappte Leesha.
»Wie kannst du nur so kühl bleiben?«, wunderte sich Mairy. »Beim Schöpfer, zwei Männer kämpfen miteinander wie die Stiere, und du setzt dem ein Ende, indem du nichts weiter tust, als eine Handvoll Kräuter zu werfen!«
»Jemandem mit Kräutern zu schaden, ist ganz einfach«, zitierte Leesha ihre Lehrmeisterin Bruna. »Aber jemandem mit Kräutern zu helfen, das ist eine schwierige Kunst, die gelernt sein will!«
Die Mittagsstunde war längst vorbei, als Leesha ihre Hausbesuche beendet hatte und sich endlich auf den Rückweg zu Brunas Hütte machen konnte.
»Und? Wie geht es den Kindern?«, fragte Bruna, als Leesha ihren Korb absetzte. Leesha schmunzelte. In Brunas Augen war jeder im Ort ein Kind.
»Ganz gut«, erwiderte sie und setzte sich auf den niedrigen Schemel vor Brunas Sessel, damit die greise Kräutersammlerin sie sehen konnte. »Yon Greys Gelenke schmerzen immer noch, aber sein Geist ist so rege wie eh und je. Ich habe ihm eine neue Portion von dem lindernden Balsam gegeben. Smitt muss noch das Bett hüten, doch der Husten klingt langsam ab. Ich denke, er ist übern Berg.« Sie fuhr mit ihrem Bericht fort, während die Alte aufmerksam zuhörte und schweigend nickte. Wenn Bruna zu Leeshas Ausführungen irgendeinen Kommentar abgeben wollte, unterbrach sie das Mädchen sogleich, doch mittlerweile war dies immer seltener der Fall.
»Ist das alles?«, hakte Bruna nach, als sie geendet hatte. »Hat sich heute früh auf dem Markt nicht irgendetwas Aufregendes abgespielt? Der junge Keet sprach davon. Was genau war denn los?«
Leesha winkte ab. »Das war nichts Aufregendes, das war pure Dummheit!«
Bruna wedelte lässig mit der Hand. »Jungs sind nun mal Jungs«, meinte sie. »Auch wenn es sich um erwachsene Männer handelt. Aber anscheinend hast du die Situation geschickt gedeichselt.«
»Bruna, das war keine Bagatelle«, wandte Leesha ein. »Die beiden Idioten hätten sich gegenseitig umbringen können!«
»Quatsch«, wiegelte die Alte ab. »Dazu wäre es sicher nicht gekommen. Ich kenne so was. Du bist nicht das erste junge Mädchen, wegen dem sich zwei Männer in die Haare kriegen. Ob du es glaubst oder nicht, aber als ich in deinem Alter war, haben auch ein paar Kerle um mich gekämpft und sich dabei die Knochen gebrochen.«
»Du warst nie so jung wie ich«, neckte Leesha ihre Lehrerin. »Yon Gray hat mir erzählt, dass sie dich schon ›die alte Bruna‹ nannten, als er anfing, laufen zu lernen.«
Bruna
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