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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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hielten. Fast überall flatterten Tücher und machten es den Winddämonen unmöglich, sich ein Opfer auszusuchen.
    Unter diesem Schutzschirm kamen Meisterin Jizell und der erste Wächter herbeigestürmt. Jizell half Leesha, während der Wächter sich um den bewusstlosen Mann kümmerte. Die Angst verlieh allen ungeahnte Kräfte, und sie legten den Rest der Strecke im Nu zurück, flüchteten sich in das Hospital und verriegelten die Tür.

    »Der hier ist tot«, verkündete Jizell mit kalter Stimme. »Ich schätze, er lebt schon seit über einer Stunde nicht mehr.«
    »Dann hätte ich also beinahe mein Leben für eine Leiche geopfert?«, rief der Wächter, der sich den Knöchel gebrochen hatte. Leesha achtete nicht auf ihn, sondern ging zu dem anderen Verletzten.
    Mit seinem runden, sommersprossigen Gesicht und der schmächtigen Statur wirkte er eher wie ein Junge als ein Mann. Er war fürchterlich verprügelt worden, aber er atmete, und der Herzschlag war kräftig. Leesha untersuchte ihn rasch. Zuerst schnitt sie seine Kleidung aus bunten Flicken auf, dann tastete sie ihn nach Knochenbrüchen ab und forschte nach, woher das Blut kam, das seine farbenfrohe Tracht durchtränkte.
    »Was ist passiert?«, fragte Jizell den verletzten Wächter, während sie seinen gebrochenen Knöchel inspizierte.
    »Wir kamen gerade vom letzten Rundgang zurück«, antwortete der Mann durch zusammengebissene Zähne, »da fanden wir die beiden, der Kleidung nach Jongleure, auf dem Gehweg.
Bestimmt wurden sie nach einer Vorstellung ausgeraubt. Beide lebten noch, befanden sich aber in einer üblen Verfassung. Mittlerweile war es bereits dunkel, aber keiner von ihnen sah aus, als würde er die Nacht ohne die Hilfe einer Heilerin überleben. Mir fiel dieses Hospital ein, und wir rannten, so schnell wir konnten. Wir versuchten, uns nach Möglichkeit unter vorspringenden Dachbalken zu halten, damit die Winddämonen uns nicht entdecken.«
    Jizell nickte. »Ihr habt euch richtig verhalten.«
    »Sag das mal dem armen Jonsin«, erwiderte der Wächter. »Beim Schöpfer, wie soll ich das seiner Frau beibringen?«
    »Darüber kannst du dir morgen Gedanken machen«, entgegnete Jizell und setzte dem Mann eine Flasche an die Lippen. »Trink das.«
    Zweifelnd blickte der Wächter sie an. »Was ist das?«, wollte er wissen.
    »Davon wirst du einschlafen«, erklärte Jizell. »Ich muss deinen Knöchel richten, und ich kann dir versprechen, dass du nicht wach sein willst, wenn ich damit anfange.«
    Daraufhin konnte der Wächter den Inhalt der Flasche gar nicht schnell genug seine Kehle hinunterkippen.
    Leesha war dabei, die Wunden des jungen Burschen zu säubern, als der mit einem leisen Aufschrei wach wurde und sich hinsetzte. Eines seiner Augen war zugeschwollen, doch das andere war weit aufgerissen, und der Blick flackerte hin und her. Leesha fiel das strahlende Grün der Iris auf.
    »Jaycob!«, rief der junge Mann.
    Er schlug so wild um sich, dass Leesha ihn allein nicht bändigen konnte, sodass Kadie und der dritte Wächter ihr zu Hilfe eilen mussten. Zu dritt rangen sie ihn nieder. Aus dem einen offenen Auge starrte er Leesha an. »Wo ist Jaycob?«, keuchte er. »Geht es ihm gut?«

    »Meinst du den älteren Mann, der bei dir war?«, vergewisserte sich Leesha, und er nickte.
    Leesha zögerte und suchte nach den richtigen Worten, doch die kurze Stille, die eintrat, war dem Jungen Antwort genug. Er fing wieder an zu schreien und um sich zu schlagen. Der Wächter packte ihn mit festem Griff und sah ihn forschend an.
    »Hast du die Täter gesehen?«, wollte er wissen.
    »Er ist jetzt nicht in der Verfassung …«, mischte sich Leesha ein, doch mit einem wütenden Blick brachte der Wächter sie zum Schweigen.
    »Heute Nacht habe ich einen Kameraden verloren«, sagte er nachdrücklich. »Ich kann nicht warten.« Er wandte sich wieder an den Jungen. »Nun, was ist?«, forderte er ihn zum Sprechen auf.
    Der Junge sah ihn an, und aus seinen Augen quollen Tränen. Schließlich schüttelte er den Kopf, doch der Wächter ließ nicht locker. »Irgendetwas musst du doch gesehen haben!«, drängte er.
    »Das reicht jetzt«, bestimmte Leesha, packte den Mann bei den Handgelenken und zog fest daran. Er leistete kurz Widerstand, dann ließ er den Jungen los. »Du gehst jetzt ins andere Zimmer und wartest dort«, forderte sie ihn auf. Der Mann runzelte unwillig die Stirn, doch er fügte sich.
    Dann widmete sich Leesha dem Jungen, der nun hemmungslos weinte. »Bring mich

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