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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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hätte sich eine Erkältung eingefangen?«, fragte sie und wartete auf Rojers Bestätigung, ehe sie fortfuhr. »Es schien ihm schon besser zu gehen, doch dann erlitt er einen schweren Rückfall. Dann stellte sich heraus, dass es Schleimfluss ist, und das ganze Dorf ist befallen. Die meisten Leute scheinen wieder zu genesen, aber die Schwächeren …« Sie fing wieder an zu weinen.
    »Ist jemand gestorben, den du kanntest?«, erkundigte sich Rojer und hätte sich gleich darauf am liebsten die Zunge abgebissen. Natürlich kannte sie denjenigen. In diesen kleinen Weilern kannte einer den anderen.
    Leesha fiel sein Ausrutscher gar nicht auf. »Ja, meine Lehrerin, Bruna«, erwiderte sie, während dicke Tränen auf ihre Schürze tropften. »Und noch ein paar andere, darunter zwei Kinder, die ich noch gar nicht kennenlernen konnte. Insgesamt gab es mehr als ein Dutzend Todesfälle, und über die Hälfte der Dorfbewohner ist noch krank. Mein Vater gehört zu denen, die am schlimmsten betroffen sind.«
    »Das tut mir leid.«
    »Mit mir brauchst du kein Mitleid zu haben; es ist meine eigene Schuld«, erwiderte Leesha.
    »Wie kommst du darauf?«, wollte Rojer wissen.
    »Ich hätte da sein müssen. Schon seit Jahren bin ich nicht mehr Jizells Schülerin. Ich hatte versprochen, ins Tal der Holzfäller zurückzukehren, wenn meine Ausbildung beendet ist.
Wenn ich mein Wort gehalten hätte, wäre ich an Ort und Stelle gewesen, und vielleicht …«
    »Bei einem meiner Aufenthalte in Waldrand habe ich erlebt, wie ein paar Leute am Schleimfluss gestorben sind«, erzählte Rojer. »Drücken diese Toten auch auf dein Gewissen? Oder all die, die es in dieser Stadt gegeben hat und noch geben wird, weil du dich nicht um alle kümmern kannst?«
    »Das ist nicht dasselbe, und das weißt du«, protestierte Leesha.
    »Genau! Kannst du dich noch erinnern, wie du mir einmal sagtest, dass es den Toten gar nichts nützt, wenn man vor lauter Schuldgefühlen selbst aufhört zu leben?«
    Mit großen Augen, in denen Tränen glänzten, sah Leesha ihn an.
    »Was wirst du tun?«, fragte Rojer. »Die ganze Nacht lang weinen, oder anfangen, deine Sachen zu packen?«
    »Packen?«, wiederholte Leesha verständnislos.
    »Ich besitze einen tragbaren Zirkel, wie ihn Kuriere benutzen, um sich vor Horclingen zu schützen«, erklärte Rojer. »Morgen früh können wir beide zum Tal der Holzfäller aufbrechen.«
    »Rojer, du kannst kaum laufen!«, gab Leesha zu bedenken.
    Rojer legte seinen Stock auf den Tisch und stand auf. Er ging ein bisschen steif, aber ohne Krücke.
    »Hast du simuliert, um noch ein bisschen länger in den Genuss eines warmen Bettes und fürsorglicher Frauen zu kommen?«, fragte Leesha.
    »So etwas würde ich nie tun!« Rojer wurde rot. »Ich … ich fühle mich nur noch nicht kräftig genug, um eine Vorstellung zu geben.«
    »Aber du glaubst, du schaffst es zu Fuß bis zum Tal der Holzfäller?«, zweifelte Leesha. »Ohne ein Pferd ist man eine Woche lang unterwegs.«

    »Ich brauche auf der Straße ja keine Purzelbäume zu schlagen«, entgegnete Rojer. »Ich schaffe es!«
    Leesha verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. »Oh nein. Das kommt gar nicht in Frage. Ich verbiete dir, die Reise anzutreten.«
    »Ich bin nicht eine deiner Schülerinnen. Du kannst mir nichts verbieten«, protestierte Rojer.
    »Aber du bist mein Patient!«, schoss Leesha zurück. »Und ich verbiete dir alles, was deine Genesung gefährdet. Ich heuere einen Kurier an, der mich mitnimmt.«
    »Hoffentlich findest du einen«, meinte Rojer. »Der Kurier, der einmal die Woche den Süden bereist, dürfte heute früh aufgebrochen sein, und um diese Jahreszeit sind die meisten seiner Kollegen ausgebucht. Es würde dich ein Vermögen kosten, einen dazu zu überreden, alles stehen und liegen zu lassen, um dich zum Tal der Holzfäller zu bringen. Außerdem kann ich mit meiner Fiedel die Horclinge vertreiben. So etwas bietet dir kein Kurier.«
    »Ich bin überzeugt, dass du das kannst«, entgegnete Leesha, doch ihr Tonfall machte deutlich, dass sie ihm nicht glaubte. »Aber ich brauche ein schnelles Kurierpferd, keine Zauberfiedel.« Seine Proteste ignorierend, scheuchte sie ihn ins Bett zurück und ging dann nach oben, um zu packen.

    »Und du bist dir wirklich ganz sicher?«, fragte Jizell am nächsten Morgen.
    »Ich muss gehen«, antwortete Leesha. »Bei so vielen Kranken brauchen Vika und Darsy Unterstützung.«
    Jizell nickte. »Rojer scheint zu glauben,

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