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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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ihren Rücken und flüsterte ihr tröstende Worte zu, während er vorsichtig ihr Kleid herunterzog. Um diese Tortur zu überstehen, schien ihr Geist an irgendeinen anderen Ort geflohen zu sein, und nun weigerte er sich, wieder zurückzukehren. Er versuchte, sie in seinen Armen zu halten, doch sie stieß ihn heftig von sich, verkrampfte sich wieder und wurde von Schluchzern geschüttelt.
    Rojer stand auf und fing an, aus dem Dreck die wenigen Dinge zusammenzuklauben, die man ihnen gelassen hatte. Die Banditen hatten ihre Taschen durchwühlt, sich genommen, was sie wollten, und den Rest weggeworfen. Nachdem sie seine und Leeshas persönliche Habe verspottet und damit ihren Unfug getrieben hatten, hatten sie die Sachen kaputt gemacht. Leeshas Kleidung war über die ganze Straße verstreut, und Arricks knallbunte magische Tasche hatten sie in den Matsch getrampelt. Ein großer Teil ihres Inhalts fehlte; was die Kerle nicht mitgenommen hatten, war ein Opfer ihrer Zerstörungswut geworden. Die bunt lackierten hölzernen Jonglierkugeln steckten im Schlamm, aber Rojer ließ sie dort liegen.
    Seinen Fiedelkasten entdeckte er ein Stück abseits der Straße, wohin der Stumme ihn mit einem Fußtritt befördert hatte, und er wagte zu hoffen, dass sie nun doch noch überleben würden. Er stürzte hin und sah, dass der Kasten aufgeplatzt war. Die Fiedel selbst konnte er mit ein paar neuen Saiten und einem bisschen Nachstimmen retten, aber der Bogen war nirgends zu finden.
    Rojer suchte danach, so lange er sich traute, und in seiner wachsenden Panik pflügte er sich in alle Richtungen durch Blattwerk und Unterholz, aber ohne Ergebnis. Der Bogen blieb
verschwunden. Er legte die Fiedel in den Kasten zurück, breitete einen von Leeshas langen Unterröcken auf dem Boden aus und packte dann die kümmerlichen Reste, die zu retten sich lohnte, zu einem Bündel zusammen.
    Eine kräftige Brise durchbrach die Stille und brachte das Laub der Bäume zum Rascheln. Rojer sah nach der untergehenden Sonne, und plötzlich übermannte ihn die Gewissheit, dass er und Leesha sterben würden. Wozu brauchte er noch eine Fiedel ohne Bogen und ein bisschen Kleidung, wenn der Tod so kurz bevorstand?
    Er schüttelte den Kopf. Noch lebten sie, und wenn man die Nerven behielt, war es möglich, den Horclingen eine Nacht lang auszuweichen. Um sich Mut zu machen, presste er den Fiedelkasten an seine Brust. Wenn sie diese Nacht überlebten, konnte er eine Strähne von Leeshas Haar abschneiden und einen neuen Bogen anfertigen. Und sobald er auf seiner Fiedel wieder Töne erzeugen konnte, waren sie vor den Horclingen sicher.
    Zu beiden Seiten der Straße erstreckten sich die dunklen, gefährlichen Wälder, aber Rojer wusste, dass Horclinge am liebsten Menschen jagten; sie bevorzugten sie vor allen anderen Lebewesen. Also würden die Dämonen die Straße entlangpirschen. In diesen dichten Wäldern fänden er und Leesha noch am ehesten ein Versteck oder ein abgeschiedenes Fleckchen, um einen Zirkel anzulegen.
    Und wie willst du das machen?, meldete sich die verhasste Stimme schon wieder. Du hast dir doch nie die Mühe gegeben, so etwas zu lernen!
    Er ging zu Leesha zurück und kniete behutsam neben ihr nieder. Sie schlotterte immer noch am ganzen Leib und weinte still vor sich hin. »Leesha«, begann er mit ruhiger Stimme, »wir müssen weg von der Straße.«

    Sie schien ihn nicht zu hören.
    »Leesha, wir müssen uns ein Versteck suchen.« Er schüttelte sie.
    Immer noch keine Antwort.
    »Leesha, die Sonne geht unter!«
    Das Schluchzen hörte auf, und Leesha starrte ihn aus weit aufgerissenen, erschrockenen Augen an. Sie sah sein besorgtes, zerschlagenes Gesicht, dann verzog sich ihre Miene und sie fing wieder an zu weinen.
    Aber Rojer wusste, dass er für einen kurzen Moment zu ihr durchgedrungen war, und er ließ nicht locker. Was Leesha passiert war, gehörte zu den schlimmsten Dingen, die er sich vorstellen konnte, doch es gab noch entsetzlichere Schicksale, und dazu gehörte, von den Horclingen zerfetzt zu werden. Er packte sie bei der Schulter und rüttelte sie kräftig.
    »Leesha, du musst dich zusammenreißen!«, schrie er. »Wenn wir nicht bald ein Versteck finden, dann findet uns morgen früh die Sonne über die ganze Straße verteilt!«
    Er wählte mit Absicht ein drastisches Bild, und es zeigte die erhoffte Wirkung, als Leesha anfing nach Luft zu schnappen. Aber das Weinen hörte auf. Mit seinem Ärmel trocknete Rojer ihre Tränen.
    »Was sollen wir

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