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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Finger an die Lippen und erzeugte einen schrillen Ton, »… sein Pferd galoppierte mitten durch das Horclingsrudel hindurch und sprang über die Siegel in den Zirkel hinein.« Mit den Händen klatschte er auf seine Oberschenkel, um das Geräusch eines Galopps zu imitieren, und zum Schluss schnellte er in die Höhe, um den Sprung zu veranschaulichen.

    Seine Zuhörer lauschten wie gebannt und waren vorübergehend abgelenkt von ihrer Krankheit und den Sorgen, wie sie die kommende Nacht überstehen sollten. Doch noch wichtiger war, wie Rojer wusste, dass er ihnen neue Hoffnung gab. Hoffnung, dass Leesha sie heilen konnte. Hoffnung, dass der Tätowierte Mann sie beschützen konnte.
    Er wünschte sich nur, er könnte auch sich selbst Mut machen.

    Leesha ließ die Kinder die großen Bütten sauber scheuern, in denen ihr Vater sonst die Rohmasse für das Papier anrührte. Sie brauchte diese Bottiche, um Heiltränke in so großen Mengen herzustellen wie noch nie zuvor. Selbst Brunas reichhaltige Vorräte gingen rapide zur Neige, und sie sprach mit Brianne, die Kinder losschickte, um in der näheren und weiteren Umgebung nach Eberwurz und anderen Kräutern zu suchen.
    Immer öfter huschte ihr Blick zu dem Streifen Sonnenlicht, der durch das Fenster hereinfiel, und sie beobachtete, wie er langsam über den Fußboden der Werkstatt kroch. Der Tag neigte sich seinem Ende zu.
    In ihrer Nähe arbeitete der Tätowierte Mann genauso emsig wie sie. Mit akribischer Genauigkeit malte er Siegel auf Äxte, Pickel, Hämmer, Speere, Pfeile und Schleudersteine. Die Kinder schleppten alles an, was sich auch nur halbwegs als Waffe eignete, und sobald die Farbe getrocknet war, holten sie die Sachen ab, um sie auf die draußen stehenden Karren zu laden.
    Immer wieder kam jemand mit einer Botschaft für Leesha oder den Tätowierten Mann angerannt. Schnell erteilten sie ihre Anweisungen, schickten den Überbringer zurück und widmeten sich wieder ihrer Arbeit.

    Zwei Stunden vor Sonnenuntergang zogen sie die Karren durch den strömenden Regen bis vor das Heilige Haus. Als die Dörfler sie sahen, ließen sie alles stehen und liegen, womit sie gerade beschäftigt waren, und eilten herbei, um Leesha beim Abladen ihrer Heilmittel zu helfen. Ein paar Leute näherten sich dem Tätowierten Mann, um ihm beim Entladen seines Karrens zur Hand zu gehen, doch ein Blick von ihm genügte, und sie machten auf dem Absatz kehrt.
    Leesha brachte ihm einen schweren Steinkrug. »Bitterkraut und Himmelsblüten«, erklärte sie. »Mische das unter das Futter von drei Kühen und sorge dafür, dass sie alles auffressen.« Der Mann nickte und nahm ihr den Krug ab.
    Als sie sich anschickte, in das Heilige Haus zu gehen, hielt er sie am Arm zurück. »Nimm den hier!« Er hielt ihr einen seiner eigenen Speere hin. Er war fünf Fuß lang und bestand aus leichtem Eschenholz. In die scharfe Metallspitze waren Symbole der Kraft eingeätzt. Symbole der Verteidigung bedeckten den glatten, mit Lack überzogenen Schaft, und das Ende trug eine Kappe aus Stahl mit eingestanzten Siegeln.
    Zweifelnd betrachtete Leesha die Waffe und traf keine Anstalten, sie in die Hand zu nehmen. »Und was soll ich damit anfangen?«, fragte sie. »Ich bin eine Kräutersamm…«
    »Jetzt ist nicht der richtige Augenblick, um den Eid der Kräutersammlerinnen zu zitieren«, unterbrach er sie und drängte ihr den Speer auf. »Dein provisorisches Hospital ist kaum durch Siegel geschützt. Wenn das Netz versagt, ist dieser Speer vielleicht das Einzige, womit du deine Schützlinge gegen die Dämonen verteidigen kannst. Was verlangt dein Eid von dir, sollte es dazu kommen?«
    Leesha runzelte die Stirn, aber sie nahm den Speer. Forschend blickte sie in seine Augen und suchte nach einer Spur von Emotion, doch er schien sich wieder vor ihr verschlossen
zu haben, und sie schaffte es nicht mehr, in sein Herz zu blicken. Sie wollte den Speer fallen lassen und ihn umarmen, aber ein zweites Mal von ihm abgewiesen zu werden, hätte sie nicht ertragen.
    »Nun ja … viel Glück dann«, brachte sie über die Lippen.
    Der Tätowierte Mann nickte. »Dasselbe wünsche ich dir.« Er drehte sich wieder zu seinem Karren um, und als Leesha ihm hinterhersah, hätte sie am liebsten laut geschrien.

    Als der Tätowierte Mann sich von Leesha abwandte, entkrampften sich langsam seine Muskeln. Er hatte all seine Willenskraft aufbieten müssen, um ihr den Rücken zuzukehren, aber sich durch Gefühle verwirren zu lassen, konnten sie

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