Das Lied der Dunkelheit
sondern um seiner Selbstachtung willen. Sie wünschte sich, sie würde möglichst bald zu einer reifen Frau erblühen, damit sie zu Gared ziehen und ihre Eltern endlich verlassen konnte.
Diejenigen, die entweder zu alt oder zu jung waren, um die Brände zu löschen, hatten für das Dorf einen Festschmaus zubereitet. Nun wieselten sie umher und deckten die Tafeln, während die anderen Platz nahmen; die meisten waren viel zu abgekämpft, um sich noch zu rühren, und starrten in die glühenden Aschehaufen.
Aber die Flammen waren erstickt, die Verletzten versorgt und auf dem Wege der Besserung, und die Sonne würde erst in ein paar Stunden untergehen. Die Worte des Fürsorgers beruhigten diejenigen, die ein schlechtes Gewissen hatten, weil sie
frohlockten, dem Unheil noch einmal entronnen zu sein, und Smitts starkes Bier lockerte die trübe Stimmung zusätzlich auf. Angeblich vermochte Smitts Bier jede Krankheit zu heilen und jeden Schmerz zu lindern, sei er nun körperlicher oder seelischer Natur. Und im Augenblick gab es viel, was der Heilung und Linderung bedurfte. Bald erklang an den langen Tischen brüllendes Gelächter, als man sich Geschichten über die Leute erzählte, die diese Welt verlassen hatten.
Gared saß ein paar Tische weiter zusammen mit seinen Freunden Ren und Flinn, deren Gemahlinnen und noch einem Freund namens Evin. Die anderen Jungen, samt und sonders Holzfäller, waren ein paar Jahre älter als Gared, doch bis auf Ren überragte Gared sie alle, und es schien, als würde er selbst auf ihn hinabschauen können, noch ehe er ausgewachsen war. Von der Gruppe war nur Evin nicht versprochen, und viele Mädchen machten ihm schöne Augen, obwohl er zum Jähzorn neigte.
Die älteren Burschen zogen Gared gnadenlos auf, vor allen Dingen im Hinblick auf Leesha. Es passte ihr nicht, bei ihren Eltern sitzen zu müssen, aber in Gareds Gesellschaft fühlte sie sich oftmals noch unwohler, wenn nämlich Ren und Flinn dauernd schlüpfrige Bemerkungen von sich gaben und Evin gar nicht anders konnte, als einen Streit anzuzetteln.
Nachdem sie ihre Portionen gegessen hatten, standen der Fürsorger Michel und Jona das Kind auf und trugen einen großen Teller mit Speisen ins Heilige Haus, wo Darsy sich um Bruna und die Verletzten kümmerte. Auch Leesha verließ ihren Platz, um ihnen zu helfen. Gared bekam mit, dass sie sich von der Tafel entfernen wollte, und sprang hoch, um zu ihr zu eilen, doch kaum hatte Leesha sich auf die Füße gestellt, da wurde sie von Brianne, Saira und Mairy, ihren engsten Freundinnen, auf die Seite gezogen.
»Ist es wahr, was man sich erzählt? Hat es sich tatsächlich so zugetragen?«, fragte Saira und zerrte an ihrem linken Arm.
»Alle sagen, du hättest Darsy niedergeschlagen und die Hexe Bruna gerettet«, tuschelte Mairy, sich ihres rechten Arms bemächtigend. Leesha drehte den Kopf, warf Gared einen hilflosen Blick zu und ließ sich von ihren Freundinnen mitschleifen.
»Der große Bär kann warten, bis er an der Reihe ist«, meinte Brianne.
»Bei ihr werden die Mädels immer an erster Stelle kommen, auch wenn ihr schon verheiratet seid, Gared!«, grölte Ren, worauf seine Freunde sich vor Lachen bogen und mit den Fäusten auf die Tischplatte trommelten. Die Mädchen beachteten die Burschen überhaupt nicht, sondern breiteten ihre Röcke aus und setzten sich ins Gras, weit ab von dem Lärm, der immer lauter wurde, je mehr Fässer die Erwachsenen leerten.
»Damit werden sie Gared noch eine ganze Weile necken«, lachte Brianne. »Ren hat fünf Klats gewettet, dass er dich vor heute Abend nicht küssen, geschweige denn begrapschen darf.« Mit sechzehn war sie bereits seit zwei Jahren Witwe, brauchte sich aber über einen Mangel an Verehrern nicht zu beklagen. Sie behauptete, es läge daran, dass sie während ihrer Ehe ein paar nützliche Tricks gelernt hatte. Zurzeit wohnte sie zusammen mit ihrem Vater und zwei älteren Brüdern, allesamt Holzfäller, und nahm im Haushalt die Stelle der Mutter ein.
»Im Gegensatz zu anderen Mädchen fordere ich nicht jeden dahergelaufenen Jungen auf, mich zu betatschen«, versetzte Leesha, und entlockte Brianne damit einen Ausdruck gespielter Verärgerung.
»Wenn ich Gared versprochen wäre, würde ich mit ihm knutschen«, warf Saira ein. Sie war fünfzehn, hatte kurzes braunes Haar und ein sommersprossiges, pausbackiges Gesicht. Im vergangenen Jahr war sie einem Jungen versprochen worden,
doch die Horclinge hatten ihn und seinen Vater in einer
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