Das Lied der Dunkelheit
hinzu. »Und in einem Monat zieht ihr aus, selbst wenn ihr euch bis dahin nur eine Bretterbude gezimmert habt.«
»Das ist lächerlich!«, kreischte Elona. »Sie können nicht für ihr Quartier arbeiten und sich gleichzeitig ein Haus bauen. Jedenfalls nicht im Zeitraum von einem Monat!«
»Du solltest dich besser um deine eigenen Probleme kümmern«, versetzte Smitt.
»Was meinst du damit?«, fragte Elona.
»Damit meint er, dass du eine Entscheidung treffen musst«, antwortete Erny. »Entweder du lernst, dich an dein Ehegelöbnis zu halten, oder ich lasse unsere Ehe vom Fürsorger auflösen. Dann kannst du zu Steave und Gared in die Bretterbude ziehen.«
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst!«, protestierte Elona.
»Mir war in meinem ganzen Leben nie ernster zumute«, entgegnete Erny.
»Zum Horc mit ihm!«, schnauzte Steave. »Komm mit mir, Elona.«
Elona schielte ihn von der Seite an. »Um in einer Behelfsunterkunft zu wohnen? Du spinnst wohl!«
»Wenn du tatsächlich bei mir bleiben willst, dann solltest du jetzt schleunigst nach Hause gehen«, herrschte Erny sie an. »Es wird eine ganze Weile dauern, bis du lernst, dich in der Küche zurechtzufinden.«
Elona verzog das Gesicht, und Leesha wusste, dass ihr Vater sich noch auf etwas gefasst machen konnte. So leicht würde ihre Mutter sich nicht in die neue Rolle der treuen Hausfrau
fügen. Aber Elona verdrückte sich, und das gab Anlass zur Hoffnung, dass Erny letzten Endes doch gewinnen würde.
Erny gab seiner Tochter einen Kuss. »Ich bin stolz auf dich«, verkündete er. »Und ich hoffe, dass du eines Tages Grund haben wirst, auch auf mich stolz zu sein.«
»Oh Dad!« Leesha drückte ihn an sich. »Das bin ich jetzt schon.«
»Dann kommst du nach Hause zurück?«, erkundigte er sich hoffnungsvoll.
Leesha sah Bruna an, dann wieder ihren Vater, und schüttelte resolut den Kopf.
Erny nickte und umarmte sie. »Ich verstehe.«
7
Rojer
318 NR
R ojer folgte seiner Mutter auf Schritt und Tritt, während sie den Gasthof fegte. Sein kleiner Besen wischte hin und her, als er ihre weit ausholenden Bewegungen nachahmte. Lächelnd blickte sie auf ihren Sohn hinab, zerstrubbelte sein leuchtend rotes Haar, und er strahlte die Mutter an. Damals war Rojer drei Jahre alt.
»Feg du hinter dem Kasten mit Brennholz, Rojer«, trug sie ihm auf, und er beeilte sich, der Bitte nachzukommen. Er stocherte so emsig mit den Borsten in dem Spalt zwischen der Kiste und der Wand herum, dass Holzmehl und kleine Stückchen Borke durch die Luft flogen. Seine Mutter fegte den Dreck zu einem ordentlichen Haufen zusammen.
Die Tür ging auf, und Rojers Vater kam herein, in den Armen einen großen Stapel Feuerholz. Als er durch den Raum stapfte, hinterließ er eine Spur aus Baumrinde und Erdklumpen.
»Jessum!«, schrie Rojers Mutter. »Gerade habe ich hier gefegt!«
»Ich habe beim Fegen geholfen!«, krähte Rojer, der sich sehr wichtig vorkam.
»Das ist richtig«, bestätigte seine Mutter. »Und jetzt kommt dein Vater hier hereingetrampelt und macht alles wieder schmutzig.«
»Du willst doch wohl nicht, dass uns in der Nacht das Holz ausgeht, wenn der Herzog und sein Gefolge im Obergeschoss logieren, oder?«, fragte Jessum.
»Bis Seine Gnaden hier eintrifft, vergeht mindestens noch eine Woche«, hielt seine Mutter entgegen.
»Ich will die Arbeit erledigen, solange es im Gasthof noch ruhig zugeht, Kally«, wandte Jessum ein. »Wer weiß, wie viele Hofschranzen der Herzog mitbringt, und die halten uns dann auf Trab, als hieße dieses kleine Kaff nicht Flussbrücke, sondern Angiers.«
»Wenn du etwas Sinnvolles tun willst«, schlug Kally vor, »dann bessere draußen die Siegel aus. Einige fangen schon an, abzublättern.«
Jessum nickte. »Ich hab’s auch gesehen«, räumte er ein. »Bei dem letzten Kälteeinbruch hat das Holz sich verzogen.«
»Meister Piter hätte sie schon vor einer Woche frisch übermalen sollen«, warf Kally ein.
»Gestern habe ich mit ihm gesprochen«, erwiderte Jessum. »Zurzeit lässt er alle seine Leute an der Brücke arbeiten, aber er beteuert, dass die Siegel instand gesetzt werden, ehe der Herzog hier eintrifft.«
»Ich mache mir keine Sorgen um den Herzog«, erklärte Kally. »Es mag sein, dass Piter bestrebt ist, Rhinebeck zu beeindrucken, um vielleicht von ihm einen fetten Auftrag zu ergattern. Ich hingegen will schlicht und ergreifend nur meine Familie schützen. Das hätte uns gerade noch gefehlt, dass wir nachts von Horclingen
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