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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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angegriffen werden, nur weil die Siegel nicht mehr einwandfrei sind.«
    »Schon gut, schon gut«, wiegelte Jessum ab und hob die Hände. »Ich werde noch mal mit ihm reden.«

    »Ich staune nur, dass Piter sich wegen Rhinebeck so ins Zeug legt«, schimpfte Kally weiter. »Der ist ja noch nicht mal unser Herzog.«
    »Aber er ist der Einzige, der seine Leute nahe genug postiert hat, um uns im Notfall rasch Hilfe schicken zu können«, gab Jessum zu bedenken. »Herzog Euchor interessiert sich nicht für Flussbrücke, solange die Kuriere passieren können und die Steuern pünktlich bezahlt werden.«
    »Sei doch nicht naiv«, spottete Kally. »Wenn Rhinebeck hierherkommt, dann doch nur, weil auch er mögliche Steuereinnahmen wittert. Pass auf, wir werden an beide Parteien zahlen, ehe Rojer einen Sommer älter geworden ist.«
    »Und was sollen wir deiner Ansicht nach tun?«, fragte Jessum. »Den Mann vergraulen, der bloß eine Tagesreise entfernt wohnt, nur um uns bei dem beliebt zu machen, der zwei Wochen weit weg im Norden haust?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass wir ihm ins Gesicht spucken müssen«, versetzte Kally. »Ich sehe nur nicht ein, dass es wichtiger ist, ihm zu imponieren, als unsere eigenen Siegel in Ordnung zu bringen.«
    »Ich sagte doch, dass ich noch mal mit Meister Piter reden werde«, betonte Jessum.
    »Dann gehst du am besten gleich los«, meinte Kally. »Die Mittagsstunde ist schon vorbei. Und nimm Rojer mit. Vielleicht erinnert der Junge dich daran, was wirklich wichtig ist.«
    Jessum glättete seine finstere Miene und setzte sich vor seinem Sohn in die Hocke. »Möchtest du mit mir zur Brücke gehen, Rojer?«, fragte er.
    »Zum Angeln?«, freute sich Rojer. Er liebte es, mit seinem Vater von der Brücke aus im Fluss zu fischen.
    Jessum lachte und nahm Rojer auf den Arm. »Heute nicht. Deine Mam möchte, dass wir uns mit Piter unterhalten.«

    Er setzte sich den Jungen auf die Schultern. »Gut festhalten«, ermahnte er ihn, und Rojer umklammerte den Kopf seines Vaters, als der sich duckte und durch die Tür schritt. Jessums Wangen waren mit kratzigen Bartstoppeln bedeckt.
    Bis zur Brücke war es nicht weit. Die Ansiedlung Flussbrücke war winzig, selbst für einen Weiler; der Ort bestand nur aus einer Handvoll Häuser und Werkstätten, der Kaserne für die Soldaten, die den Wegzoll einkassierten, und dem Gasthof seiner Eltern. Als sie am Zollhaus vorbeikamen, winkte Rojer den Wachen zu, und die winkten zurück.
    Die Brücke überspannte den Grenzfluss an seiner schmalsten Stelle. Sie war vor vielen Generationen erbaut worden, besaß zwei Bögen und hatte eine Länge von über dreihundert Fuß; dabei war sie breit genug, dass zwei große, einspännige Fuhrwerke aneinander vorbeifahren konnten. Ein Trupp von Milneser Ingenieuren kontrollierte täglich die Seile und Stützpfeiler. Die Straße der Kuriere - die einzige Straße - erstreckte sich in beide Richtungen, so weit das Auge reichte.
    Meister Piter hielt sich am hinteren Ende der Brücke auf und brüllte Anweisungen nach unten. Rojer folgte seinem Blick und erspähte Meister Piters Lehrlinge, die in Schlaufen hingen und die Unterseite der Brücke mit Siegeln bemalten.
    »Piter!«, rief Jessum, als sie die Mitte der Brücke erreicht hatten.
    »Ay, Jessum!«, grüßte der Bannzeichner. Jessum hob Rojer von seinen Schultern und stellte ihn auf den Boden, ehe er und Piter sich die Hände schüttelten.
    »Die Brücke sieht gut aus«, lobte Jessum. Piter hatte die meisten seiner etwas schlichteren Siegel durch aufwändig verschnörkelte Zeichen ersetzt, mit Lack übermalt und glänzend poliert.

    Piter lächelte geschmeichelt. »Der Herzog wird sich in die Hosen machen, wenn er meine Siegel sieht«, prahlte er.
    Jessum quittierte die Bemerkung mit einem vergnügten Lachen. »Kally ist emsig damit beschäftigt, das Gasthaus blitzblank zu putzen.«
    »Mach den Herzog glücklich, und für deine Zukunft ist gesorgt«, behauptete Piter. »Ein Wort des Lobes in die richtigen Ohren gesprochen, und wir können unser Handwerk in Angiers ausüben und nicht in diesem hinterwäldlerischen Nest.«
    »Dieses ›hinterwäldlerische Nest‹ ist mein Zuhause«, protestierte Jessum und funkelte Piter erbost an. »Bereits mein Großvater wurde hier geboren, und wenn es nach mir geht, werden auch noch meine Enkelkinder in Flussbrücke wohnen.«
    Piter nickte. »Nichts für ungut«, lenkte er ein. »Ich wollte dich nicht beleidigen, aber ich vermisse nun mal

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