Das Lied der Dunkelheit
die Dörfer zu schicken, eignet sich niemand besser als ein Spaßmacher«, erwiderte Geral mit einem listigen Zwinkern. »Die Leute zögern, einen Mann aufzuhängen, der ihnen Steuererhöhungen androht, wenn er gleichzeitig für ihre Kinder jongliert.«
Arrick strafte ihn mit einem vernichtenden Blick ab, doch Geral lachte nur.
»Sei so gut und hole den Betreiber des Gasthofs, damit er sich um unsere Pferde kümmert«, befahl Arrick Jessum.
»Ich bin der Gastwirt«, warf Rojers Vater ein und streckte grüßend die Hand aus. »Jessum Schenk. Und das ist mein Sohn Rojer.« Mit dem Kinn deutete er auf den Buben.
Arrick ignorierte sowohl die dargebotene Hand als auch den Knaben, zauberte wie aus heiterem Himmel eine Silbermünze hervor und schnippte sie in Jessums Richtung. Der fing sie auf und beäugte sie neugierig.
»Die Pferde!«, betonte Arrick. Jessum zog die Stirn kraus, doch er steckte die Münze ein und marschierte zu den Tieren. Geral winkte ab und nahm die Zügel seines Rosses selbst in die Hand.
»Trotzdem musst du dir meine Siegel vornehmen, Piter«, hakte Jessum noch einmal nach. »Es wird dir leidtun, wenn ich Kally zu dir schicke und sie dann in den höchsten Tönen loslegt.«
»Mir scheint, an der Brücke muss noch eine ganze Menge gearbeitet werden, ehe Seine Gnaden hier ankommt«, bemerkte Arrick. Piter straffte die Schultern und streifte Jessum mit einem säuerlichen Blick.
»Möchtest du heute Nacht vielleicht hinter abblätternden Siegeln schlafen, Meisterjongleur?«, erkundigte sich Jessum. Unter der Sonnenbräune wurde Arrick blass.
»Wenn es dir recht ist, dann schaue ich sie mir mal an«, erbot sich Geral. »Wenn sie nicht zu stark beschädigt sind, kann ich sie auffrischen, und falls ich der Aufgabe nicht gewachsen bin, werde ich Piter eigenhändig zum Gasthof schleifen.« Er stieß seinen Speer auf den Boden und starrte den Bannzeichner dreist an. Piters Augen weiteten sich, doch er nickte zum Zeichen seines Einverständnisses.
Geral hob Rojer hoch und setzte ihn auf sein gewaltiges Streitross. »Gut festhalten, Junge«, ermahnte er ihn, »jetzt wird geritten!« Rojer lachte und zog an der Mähne des Tieres, als Geral und sein Vater die Pferde zum Gasthaus führten. Arrick stakste vor ihnen her wie ein Mann, dem seine Bediensteten hinterherhecheln.
Kally erwartete sie auf der Türschwelle. »Geral«, freute sie sich. »Was für eine angenehme Überraschung!«
»Wer ist diese Frau?«, erkundigte sich Arrick, der sich flink mit den Händen das Haar und die Kleidung glättete. »Das ist Kally«, erwiderte Jessum. »Meine Frau«, fügte er hinzu, als das Funkeln in Arricks Augen nicht erlosch.
Arrick gab vor, den Zusatz nicht zu hören, tänzelte zu Kally hin, warf seinen farbenfrohen Umhang zurück und machte eine tiefe Verbeugung.
»Es ist mir ein Vergnügen, schöne Frau«, säuselte er und küsste ihre Hand. »Ich bin Arrick Honigstimme, Meisterjongleur und Herold des Herzogs Rhinebeck III, dem Hüter der Waldfestung, Träger der Hölzernen Krone und Gebieter über Angiers. Seine Gnaden wird hocherfreut sein, so viel Liebreiz zu sehen, wenn er dein treffliches Gasthaus aufsucht.«
Kally hob verlegen eine Hand an den Mund, und das Blut schoss in ihre bleichen Wangen, bis sie so rot waren wie ihre Haare. Sie erwiderte das Kompliment mit einem linkischen Knicks.
»Du und Geral müsst sehr müde sein«, meinte sie. »Kommt herein und ich serviere euch eine heiße Suppe. Damit könnt ihr euch stärken, bis das Abendessen fertig ist.«
»Wir sind entzückt über diesen herzlichen Empfang, werte Dame«, flötete Arrick und verneigte sich abermals.
»Geral hat versprochen, sich vor der Dämmerung unsere Siegel vorzunehmen, Kal«, warf Jessum ein.
»Was?« Kally wandte den Blick von Arricks lächelndem Mund ab. »Ach so, ja! Nun, ihr zwei versorgt die Pferde und kümmert euch um die Siegel, während ich Meister Arrick sein Zimmer zeige und mit der Zubereitung des Abendessens beginne«, bestimmte sie.
»Eine vortreffliche Idee«, singsangte Arrick und bot Kally seinen Arm, als sie ins Haus gingen.
»Du solltest ein wachsames Auge auf Arrick halten«, murmelte Geral. »Deine Kally hat es ihm angetan. Man nennt ihn ›Honigstimme‹, weil er mit seinem Gesang die Weibsleute bezaubert und die meisten auch rumkriegt. Und ich habe noch nie erlebt, dass er von einer verheirateten Frau die Finger lässt. Dem ist kein Ehegelöbnis heilig.«
Jessum zog ein finsteres Gesicht. »Rojer«,
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