Das Lied der Dunkelheit
Tür, einen Arm schützend vor das Gesicht gestreckt. Bruna lachte und beschleunigte Elonas Abgang mit einem kräftigen Tritt in deren Hinterteil.
»Weg mit euch beiden!«, brüllte sie Gared und Steave an. »Raus hier, ehe ich euch bei lebendigem Leib verbrenne!« Blind tappten die beiden Männer in die Richtung, in der sie die Tür vermuteten; sie stöhnten gequält, und über ihre roten, wie verbrüht
aussehenden Gesichter flossen wahre Tränenströme. Mit Stockhieben trieb Bruna sie nach draußen, als seien sie Hunde, die auf den Fußboden gepinkelt hatten. »Wenn ihr es wagt, euch noch einmal bei mir blicken zu lassen, könnt ihr was erleben!« Bruna brach in ein meckerndes Gelächter aus, als die Männer wie aufgescheuchte Hasen von ihrem Hof rannten.
Später am Tag klopfte es abermals an der Tür. Mittlerweile hatte sich Leesha von ihrem Lager erhoben und werkelte in der Hütte herum, doch sie fühlte sich immer noch schwach. »Was ist denn jetzt schon wieder los?«, bellte Bruna. »Seit mein Vater starb, hatte ich nicht mehr so viele Besucher an einem Tag!«
Sie stapfte zur Tür, und als sie aufmachte, stand Smitt vor ihr und rang nervös die Hände. Bruna blinzelte und musterte ihn lauernd.
»Ich praktiziere nicht mehr als Kräutersammlerin«, krächzte sie. »Ich bin jetzt im Ruhestand. Geh zu Darsy, wenn du was brauchst.« Sie stand im Begriff, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
»Bitte, hör mich an«, flehte Smitt und streckte den Arm aus, um die Tür offen zu halten. Bruna funkelte ihn wütend an, und seine Hand zuckte zurück, als hätte er sich verbrannt.
»Ich höre«, versetzte die Alte bissig.
»Ich bin hier wegen Ande«, erklärte Smitt und meinte damit einen der Männer, die bei dem Dämonenangriff verletzt worden waren. »Die Wunde in seinen Eingeweiden fing an zu faulen. Darsy schnitt ihn auf, und jetzt fließt Blut aus seinem After und seinem Mund.«
Bruna spuckte Smitt zielsicher auf die Stiefel. »Ich sagte doch, dass so was passieren würde.«
»Ich weiß«, gab Smitt zu. »Du hattest Recht. Ich hätte auf dich hören sollen. Bitte, komm zurück. Ich werde auch alles tun, was du von mir verlangst.«
Bruna grunzte. »Ande soll nicht für deine Dummheit büßen müssen«, erklärte sie. »Aber ich werde dich beim Wort nehmen. Bilde dir ja nicht ein, ich könnte dein Versprechen vergessen!«
»Du kannst von mir fordern, was du willst, und du wirst es bekommen«, betonte Smitt.
»Erny!«, schrie Bruna. »Hol mein Kräutertuch! Smitt kann es tragen. Du hilfst deiner Tochter. Wir gehen in die Stadt.«
Beim Gehen stützte sich Leesha auf den Arm ihres Vaters. Sie befürchtete, sie könnte die anderen aufhalten, doch selbst in ihrem erschöpften Zustand fiel es ihr nicht schwer, mit Brunas schwerfälligem Schlurfen Schritt zu halten.
»Ich sollte von dir verlangen, dass du mich Huckepack trägst«, wandte sich Bruna unterwegs an Smitt. »Meine alten Beine sind nicht mehr so flink wie früher.«
»Ich nehme dich auf den Rücken, wenn du es willst«, erwiderte Smitt.
»Sei nicht albern«, schnaubte Bruna und zockelte in quälend langsamem Tempo weiter.
Vor dem Heiligen Haus hatte sich das halbe Dorf versammelt. Ein allgemeines Aufatmen ging durch die Menge, als Bruna auftauchte, und bei Leeshas Anblick, die mit ihren Blessuren und dem zerrissenen Kleid ein Bild des Jammers bot, wurde verhalten getuschelt.
Bruna nahm von nichts und niemandem Notiz. Sie schob mit ihrem Stock die Leute einfach beiseite und humpelte geradewegs in das Heilige Haus. Leesha sah Gared und Steave, die
mit feuchten Tüchern über den Augen auf Feldbetten lagen, und sie unterdrückte ein Schmunzeln. Bruna hatte ihr erzählt, dass die Mischung aus Pfeffer und gemahlenem Stinkkraut, die sie den beiden verpasst hatte, keinen dauerhaften Schaden anrichtete, doch sie hoffte, Darsy wüsste zu wenig, um den derart heimgesuchten Männern diesen Trost spenden zu können. Dann bemerkte sie Elona, die ihre Tochter musterte, als wollte sie sie mit ihren Blicken erdolchen.
Bruna begab sich schnurstracks zu Andes Krankenlager. Der Mann war in Schweiß gebadet und verströmte einen entsetzlichen Gestank. Seine Haut war gelblich verfärbt; der Verband um seine Lenden wies Flecken von Blut, Urin und Kot auf. Bruna betrachtete ihn kurz und spuckte aus. In der Nähe saß Darsy. Man sah ihr an, dass sie geweint hatte.
»Leesha, roll das Kräutertuch aus«, bestimmte Bruna. »Es gibt viel zu tun.«
Darsy kam
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