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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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streichelte über ihre Hand. Kally machte große Augen und hielt den Atem an, aber sie zog ihre Hand nicht zurück.
    Mit einem Knall flog die Haustür auf. »Die Siegel sind ausgebessert!«, rief Jessum. Kally schnappte nach Luft und entriss Arrick so plötzlich ihre Hand, dass sie sein Bier verschüttete. Rasch schnappte sie sich einen Lappen, um es aufzuwischen.
    »War es denn tatsächlich nicht so schlimm? Mussten sie einfach nur übermalt werden?«, erkundigte sie sich skeptisch, den Blick gesenkt, um ihre Verlegenheit zu kaschieren.
    »Im Gegenteil, es war schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte«, erklärte Geral. »Also wirklich, ihr hattet großes Glück, dass sie überhaupt noch so lange gehalten haben. Die Siegel, die am ärgsten beschädigt waren, habe ich aufgefrischt, und gleich morgen früh werde ich mit Piter ein ernstes Wörtchen reden. Bis Sonnenuntergang muss er jedes Siegel an diesem
Gasthof erneuert haben, und wenn ich ihm den Speer auf die Brust setze.«
    »Danke, Geral«, sagte Kally und fixierte Jessum mit einem vernichtenden Blick.
    »Ich bin noch dabei, die Scheune auszumisten«, ließ Jessum sich vernehmen. »Deshalb habe ich die Pferde draußen auf dem Hof in Gerals tragbarem Bannzirkel untergebracht.«
    »Das ist gut so«, erwiderte Kally. »Und jetzt wascht euch alle die Hände. Bald wird das Abendessen serviert.«

    »Köstlich«, verkündete Arrick, der zu seiner Mahlzeit Unmengen von Bier trank. Kally hatte eine gebratene Lammkeule mit Kräuterkruste aufgetischt, und das beste Stück legte sie dem herzoglichen Herold auf den Teller.
    »Hast du vielleicht eine Schwester, die genauso hübsch ist wie du?«, erkundigte sich Arrick zwischen zwei Bissen. »Seine Gnaden hält Ausschau nach einer neuen Braut.«
    »Ich dachte, der Herzog sei bereits verheiratet«, erwiderte Kally und errötete, während sie sich vorbeugte, um Arricks Krug nachzufüllen.
    Der Jongleur schnaubte unfein durch die Nase. »Leider scheint sie genauso unfruchtbar zu sein wie seine anderen Gemahlinnen, wenn die Gerüchte stimmen, die im Palast kursieren. Rhinebeck wird solange nach neuen Eheweibern suchen, bis eine ihm einen Sohn schenkt.«
    »Da magst du wohl Recht haben«, pflichtete Geral ihm bei.
    »Und wie oft werden die Fürsorger ihm noch gestatten, dazustehen und dem Schöpfer zu geloben, sich für ›immer und ewig‹ an seine Gemahlin zu binden?«, fragte Jessum.

    »So oft der Herzog es verlangt«, versicherte Arrick. »Lord Janson hält die heiligen Männer in Schach. Er hat sie fest im Griff.«
    Geral spuckte aus. »Es ist nicht richtig, Männer, die die Gesetze des Schöpfers vertreten, so zu demütigen …«
    Warnend hob Arrick einen Finger. »Gib Obacht, was du sagst, Geral. Angeblich haben selbst die Bäume Ohren, wenn jemand es wagt, den Ersten Minister zu kritisieren.«
    Geral verzog wütend das Gesicht, doch er hielt den Mund.
    »Nun, bei uns in Flussbrücke wird er wohl keine Braut finden«, warf Jessum ein. »Hier gibt es nicht mal genug Frauen für die einheimischen Männer. Ich musste den ganzen weiten Weg bis nach Kricketlauf gehen, um Kally zu erobern.«
    »Dann bist du eine Angieranerin, meine Liebe?«, fragte Arrick.
    »Ja, ich wurde in Angiers geboren, aber bei der Hochzeit ließ der Fürsorger mich einen Eid auf Miln schwören. Jeder, der in der Ortschaft Flussbrücke wohnt, muss sich Herzog Euchor verpflichten.«
    »Das könnte sich schon sehr bald ändern«, bemerkte Arrick.
    »Dann ist also was dran an dem Gerücht, dass Rhinebeck hierherkommt, um Anspruch auf Flussbrücke zu erheben?«, warf Jessum ein.
    »So dramatisch ist es nun auch wieder nicht«, wiegelte Arrick ab. »Seine Gnaden findet nur, in Anbetracht der Tatsache, dass die Hälfte der Einwohner ursprünglich aus Angiers stammt und eure Brücke mit Holz aus Angiers gebaut und instand gehalten wird, sollten wir mit euch eine …«, er sah Kally an, die wieder ihren Platz einnahm, »… engere Beziehung eingehen.«

    »Ich bezweifle, dass Euchor ein Interesse daran hat, Flussbrücke mit ihm zu teilen«, meinte Jessum. »Der Grenzfluss teilt die beiden Gemarkungen seit tausend Jahren. Auf diese Scheidelinie würde er genauso wenig verzichten wie auf seinen Thron.«
    Arrick zuckte die Achseln und lächelte wieder. »Das ist eine Angelegenheit für Herzöge und Minister«, meinte er und griff nach seinem Krug. »Einfache Leute wie wir sollten sich nicht um solche Dinge kümmern.«
    Bald ging die Sonne unter, und von draußen

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