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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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Sie sieht ihn lange an. » Ich fühle mich so einsam, Grischa « , sagt sie.
    Als er beginnt, ihre kunstvolle Flechtfrisur in ihrem Nacken zu lösen, schiebt sie seine Hand weg.
    Zuvor ist sie vom Sofa aufgestanden und hat ihn an der Hand genommen. Sie hat sich so sicher bewegt, so anmutig, trotz des vielen Wodkas; während er ihr gefolgt ist, kam er sich selbst ein wenig unbeholfen vor. Sie hat ihn zu einem der Schlafzimmer geführt, hat sich zu ihm umgedreht und ihn angesehen, und er hat begriffen, dass er sie küssen soll.
    Vorsichtig hat er die Arme um sie gelegt, bereit, sofort aufzuhören, sobald sie ihm bedeuten würde, dass sie es sich anders überlegt hat. Aber das hat sie nicht getan. Sie hat ihm das Gesicht entgegengehoben, und er hat seine Lippen auf ihre gesenkt.
    Antonina wurde bisher nur von zwei Menschen geküsst, jenes eine Mal von Lilja und dann von Konstantin. Noch nie wurde sie so geküsst wie von Grischa. Es ist der Kuss eines Mannes, der selbstsicher ist und seine Begierde kennt, dabei aber keine Eile hat. Während sie sich küssen und seine Lippen immer fordernder werden, legt er eine Hand an ihren Rücken und hebt sie beinahe zu sich empor.
    Dann lockert er seinen Griff, lässt sie ein wenig zurücksinken. » Sind Sie sicher? « , sagt er leise.
    Und in diesem Moment, als sie nickt, will er ihr die Haare im Nacken lösen, aber sie murmelt: » Nein «, und bedeckt seine Hand mit ihrer. » Lass mein Haar, wie es ist. Bitte. «
    Er weiß, er sollte das nicht tun. Ist der Wodka schuld? Hat der Alkohol sie empfänglich gemacht? Er hat es nicht geplant, wenngleich er schon oft darüber nachgedacht – nein, es sich vorgestellt hat –, wie es wäre, sie zu besitzen. Er hat schon viele Frauen gehabt; Grischa hatte noch nie Mühe, eine Frau ins Bett zu bekommen. Für manche hat er sogar etwas empfunden, bei anderen wiederum hat er einfach nur seine physischen Bedürfnisse gestillt. Aber er war immer ehrlich zu ihnen: Er hat ihnen nichts versprochen, sondern ihnen gesagt, dass er nicht für die Ehe taugt. Die gewitzteren unter ihnen, die ihn zum Lachen brachten, bedeuteten ihm mehr als jene, die einfach nur hübsch waren.
    Aber keine hat bisher dieses Gefühl der Unruhe in ihm hervorgerufen. Keine hat ihn so verwirrt. Seit er fünfzehn war, hat sich Grischa vorgenommen, sich auf nichts einzulassen, was mit Zuneigung oder Mitgefühl verbunden ist. Mit Emotionen, die unerwünschte Erinnerungen in ihm wachrufen und ihn an seine Schuld gemahnen könnten. Grischa weiß, dass die Schuld wie ein schweres Gewicht auf der Brust lasten kann, eine Last, die wieder loszuwerden fast unmöglich ist. Und es ist schwer, seine Ziele zu verfolgen, wenn einen eine solche Last behindert; sie verstellt einem den Blick und lähmt jeden Schritt. Schuldgefühle hindern den Menschen daran, die Dinge zu tun, die nötig sind, um sich ein Leben aufzubauen, in dem man tun und lassen kann, was einem beliebt.
    Er weiß genau, wer er ist und was er getan hat. Er sieht sich selbst in einem hellen, unerbittlichen Licht. Er ist ein Mann, der entschlossen ist, alles Nötige zu tun, um sich weiterzubringen.
    Er lässt ihr Haar los und umfasst mit beiden Händen ihr Gesicht. » Ich werde versuchen, Ihre Nase nicht zu berühren, gnädige Frau « , sagt er lächelnd, und sie lächelt ebenfalls, auf die ihr eigene Art. Ein wenig träge. Nein, sehnsüchtig, verträumt.
    Da ist es wieder, dieses beunruhigende Gefühl. Er hat sie noch nie so lächeln sehen.
    » Aber du musst mich Tosja nennen « , sagt sie sanft. » In einem solchen Moment musst du mich Tosja nennen. « Sie nimmt seine Hand und legt seine Finger auf ihr blutbeflecktes Mieder.
    Als sie erwacht, ist es im Zimmer dunkel, nur eine flackernde Kerze brennt, und Antonina ist ein wenig übel. Der Wodka brennt in ihrem leeren Magen, und ein heftiger Schmerz pocht in ihrem Kopf.
    Sie starrt zu der niedrigen Holzdecke empor und spürt Grischas Hitze neben sich. Sie wendet ihm das Gesicht zu und betrachtet sein Profil. Das Bettzeug bedeckt ihn bis zur Taille. Ihr Blick gleitet zu seiner nackten Brust, die sich hebt und senkt, und sie hat das Bedürfnis, die Hand daraufzulegen.
    Vor wenigen Stunden hat sie einen Jungen erblickt, den sie zunächst für ihren Sohn hielt. Dann hat sie Mischas handgeschriebene Worte gelesen und seinen Mantel an die Brust gedrückt. Sie ist eine Mutter und Ehefrau – und eine Heuchlerin. Dass Konstantin weiterhin mit Tanja geschlafen hat, während er mit ihr

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