Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
Vom Netzwerk:
sorgenvollen Ausdruck auf ihrem Gesicht und die tiefen Augenhöhlen und Falten um ihre Mundwinkel. Mit einem Mal fiel ihm auf, dass sie gealtert war.
    » Du hustest doch gar nicht, Sascha « , sagte sie. » Warum kannst du nicht schlafen? «
    Er sah zu ihr hinauf, betrachtete den langen Zopf, zu dem sie ihr schwarzes und inzwischen mit weißen Fäden durchwirktes Haar geflochten hatte und der ihr über die Schulter hing.
    » Du weinst ja. « Sie kniete sich neben die Bank. » Ich habe dich noch nie … was ist los? «
    Er war unfähig zu sprechen.
    » Ich mache uns Tee « , sagte sie und stand auf, aber er hielt sie am Handgelenk fest. Er nahm einen tiefen Atemzug und wischte sich mit der anderen Hand über Augen und Wangen.
    » Es geht um die Zukunft « , sagte er. » Ich mache mir Sorgen, was aus dir und den Jungen werden wird, wenn ich nicht mehr bin. «
    » Ich will nicht darüber reden « , erwiderte Ula und entzog ihm ihre Hand.
    » Wir müssen darüber reden. Du weißt, dass es passieren wird. Schon bald « , fügte er hinzu. Ula presste die Lippen zusammen und schloss die Augen.
    » Du kannst es nicht länger verdrängen « , sagte er. Sie weinte jetzt ebenfalls, kniete sich wieder neben ihn und legte den Kopf auf seine Knie.
    » Ich habe einen Plan « , fuhr er fort. Sie hob den Kopf und sah ihn an. » Was Kolja betrifft. « Aber er konnte nicht weitersprechen. Er wusste, was es für sie bedeutete, Kolja zu verlieren. Es würde sie an den Rand des Grabes bringen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Wie hatte er es bloß für einen guten Plan halten können? Nein. Er würde dem Dirigenten einen weiteren Brief schreiben, in dem er ihm erklärte, dass er es sich anders überlegt hatte, und Tima morgen damit zu ihm schicken. Es war unüberlegt, ja dumm von ihm gewesen.
    » Am meisten Sorgen mache ich mir um Kolja « , schloss er.
    Ula nickte. » Ich weiß. Tima wird den Betrieb bestimmt erfolgreich weiterführen. Da bin ich mir sicher. Er arbeitet für zwei und kann gut rechnen. Und Kolja kann in ein paar Jahren bei ihm arbeiten. «
    Beide wussten, dass Letzteres eine Illusion war.
    » Wünschst du dir keine bessere Zukunft für ihn? «
    Ulas Gesicht straffte sich. » Es war gut genug für meinen Vater und für dich, warum sollte es also nicht auch gut genug für unsere Söhne sein? Es ist eine ehrliche Arbeit. «
    Aleksandr war sich bewusst, dass sie seine Frage absichtlich missverstanden hatte. Seine Kehle krampfte sich zusammen, und er bemühte sich, den Husten zu unterdrücken, der unweigerlich in einen langen, schlimmen Anfall münden würde, einschließlich des unvermeidlichen blutigen Auswurfs. Aber er war machtlos dagegen. Während er sich zusammenkrümmte und hustete, ein Taschentuch an den Mund gepresst, um den roten Blutfluss aufzunehmen, eilte Ula in die Küche, um Tee zu machen. Über Koljas Zukunft sprachen sie nicht mehr.
    Am nächsten Morgen – einem klaren, wolkenlosen Frühlingstag – stand der Dirigent wieder vor Aleksandrs Haustür.
    Tima arbeitete in der Küferei, und Kolja spielte im Zimmer der Jungen Geige. Aleksandr lag auf der gepolsterten Bank. Ula war mit dem Einkaufskorb hinausgegangen, um Besorgungen zu machen. Ehe sie ging, hatte Aleksandr sie gebeten, Briefpapier, Feder und Tinte bereitzulegen. Sobald er sich ein wenig besser fühlen würde, nahm er sich vor, würde er den Brief schreiben und später Tima bitten, ihn wegzubringen.
    Als er nun den Dirigenten in der Tür stehen sah, überlief ein kalter Schauer Aleksandrs erhitzten Körper. Sein Hals war vom vielen Husten rau, er fieberte und hatte Gliederschmerzen. Nur mit äußerster Mühe schaffte er es, sich aufzusetzen und sich mit der zitternden Hand die Haare nach hinten zu streichen.
    Hinter dem Dirigenten sah er einen offenen, von drei Pferden gezogenen Tarantas, einen ungefederten Reisewagen.
    » Guten Tag, Kasakow « , sagte der Dirigent. » Ich weiß, ich bin einen Tag zu früh, aber gestern Abend spielten wir vor so wenig Publikum, das noch dazu äußerst unempfänglich für unsere Musik, um nicht zu sagen undankbar war, da habe ich beschlossen, dass es Zeitverschwendung wäre, hier ein weiteres Konzert abzuhalten. Können Sie dafür sorgen, dass Ihr Sohn in Kürze reisefertig ist? «
    Aleksandr leckte sich über die Lippen. Die Musik aus dem Zimmer der Jungen hatte aufgehört.
    » Nun kommen Sie. Wir haben eine Abmachung « , sagte der Dirigent, der noch immer in der offenen Haustür stand. » Wir wollen noch bei

Weitere Kostenlose Bücher