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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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verließ, bevor er von heftigem Husten geschüttelt wurde. Und sein Sohn sollte nicht sehen, wie sein Vater weinte.

SIEBENUNDZWANZIG
    I n dem Moment, als der Tarantas rumpelnd vom Haus wegfuhr, kam Ula zurück.
    » Was war das für eine Kutsche? « , fragte sie, während sie ihren Korb abstellte. » Geht es dir ein bisschen besser? « Doch als sie den merkwürdigen Ausdruck auf dem Gesicht ihres Mannes sah, den sie nicht zu deuten vermochte, bekam sie weiche Knie. Sie schluckte schwer und ging zu ihm. » Was ist los, Sascha? «
    » Ula « , begann er, unfähig, die richtigen Worte zu finden. » Unser Junge … ich … ich dachte … « Er blickte in Richtung des Zimmers der Jungen.
    Sie folgte seinem Blick. » Hat sich Tima bei der Arbeit verletzt? Tima? « , rief sie. Als sie keine Antwort bekam, eilte sie in das Zimmer, und ihre Stiefel klapperten laut auf dem Holzboden. » Kolenka? « , sagte sie und spähte in den ordentlich aufgeräumten Raum. Dann wirbelte sie zu Aleksandr herum. » Was ist geschehen? Wo ist Kolja? «
    Aleksandr war leichenblass, und auf seinen Wangen prangten rote Fieberflecken, und in diesem Moment dachte Ula, genauso wird er aussehen, wenn er gestorben ist.
    » Es ist besser so, Ula. So wird er wenigstens eine Zukunft haben … «
    » Wer? «
    » Kolja. «
    » Eine Zukunft? « Ula war so verwirrt, dass sie die Stimme zu einem Flüstern gesenkt hatte. » Koljas Zukunft ist hier bei uns. « Sie neigte den Kopf. » Bei mir. In diesem Haus. Er kann nur hier leben, bei mir. « Sie sprach jetzt lauter. » Was hast du getan? « Sie sah zu der noch immer offenen Haustür und versuchte blinzelnd zu begreifen, was ihr Mann eben gesagt hatte.
    Als wäre er aus einem tiefen, verwirrenden Traum erwacht, rieb sich Aleksandr die Augen.
    Ula durchquerte das Wohnzimmer und streckte die Arme dabei seitlich aus, als müsste sie über einen geneigten Boden balancieren. » Sag mir, was du getan hast. « Ihre Stimme erinnerte an ein leises Knurren. Wieder warf sie einen Blick zur offenen Haustür. » Was hast du getan, Aleksandr Danilowitsch? «
    Was hatte er getan? Plötzlich wurde Aleksandr von Panik überwältigt, ein grollender Husten stieg aus seiner Brust empor. Wieder spürte er den zerbrechlichen Körper seines Sohnes an seinem, die spitzen Schultern. » Seine Musik … « , sagte er. » Sein Talent. Der Dirigent kann … «
    In diesem Moment ertönte ein Heulen, wie von einem Tier. Aleksandr hatte seine Frau noch nie einen derartigen Laut ausstoßen hören, nicht einmal, als sie entbunden hatte. Sie rannte aus dem Haus und die Straße hinunter, und der Widerhall ihres Heulens zerriss die Luft.
    Was als Nächstes geschah, weiß nur Timofei.
    Er hörte in der Küferei am Ende der Straße die Schreie seiner Mutter und dachte, jetzt ist es passiert, Papa ist gestorben. Warum sonst hätte seine Mutter so geschrien? Er rannte hinaus, sah, wie sie auf ihn zulief, die Enden ihres Schals hinter ihr herwehend, den Rock mit beiden Händen hochgerafft, und beim Anblick ihrer halbnackten Beine empfand Timofei trotz der kalten Faust, die sich um seinen Magen schloss, einen Anflug von Scham.
    » Papa? « , rief er, während er ihr entgegenlief. » Ist es Papa? «
    Sie schüttelte den Kopf, keuchte, weißer Speichel hatte sich in den Winkeln ihres aufgerissenen Mundes gesammelt, und zum ersten Mal bemerkte er ihren aschfahlen Teint, der sie wie eine alte Frau aussehen ließ.
    » Geh! « , rief sie und schob ihn an der Schulter weg. » Es ist wegen Kolja. Du musst hinter ihnen her. « Sie schnappte nach Luft, sodass sie kaum sprechen konnte.
    » Was ist den passiert? Wohin soll ich gehen? Ist er abgehauen? «
    Da gab sie ihm eine Ohrfeige, ein fester Schlag auf die Wange, und er packte ihr Handgelenk. Seine Mutter war sonst so sanft. Nie schrie sie, weder hatte sie ihn je geschlagen noch einen ihrer Hunde getreten. Sie war anders als die Mütter seiner Freunde, die ihre Söhne regelmäßig verprügelten. Sie so zu erleben verwirrte ihn zutiefst, er wusste nicht, was er denken sollte.
    » Ich habe dir gesagt, du sollst laufen. Los, lauf! Nimm dir ein Pferd. Reite hinter ihnen her! « , stieß sie keuchend zwischen Schluchzern hervor, während ihr Körper von einem starken Zittern ergriffen wurde.
    » Ja, ja. Das mache ich. Aber du musst mir schon sagen, hinter wem ich herreiten soll. Was ist denn mit Kolja passiert? « Er legte seine Hände auf ihre Schultern. » Mama? «
    Beim letzten Wort sog Ula tief und scharf die

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