Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
zu bleiben. Aber Sie müssen in der Lage sein, Jahr für Jahr einen Mindestbetrag aufzubringen. Ich würde vorschlagen, dass Sie sofort eine kleinere Summe bezahlen, spätestens Anfang nächsten Monat. «
» Sie meinen also, meine Nachbarn würden den Rest meines Landes kaufen? « , fragt sie. Sie denkt einen Moment lang nach. » Wie groß ist denn dieser Rest? «
Jakowlew nickt. » Die den einzelnen Dorfgemeinschaften, den mir, übertragene Fläche hängt von der Anzahl der Seelen ab, die Ihr Mann besaß. In Ihrem Fall also eine große Zahl. Sobald das Land entsprechend aufgeteilt wurde, dürfte Ihnen gerade noch so viel übrig bleiben, um sich selbst und die wenigen Dienstboten zu ernähren, die bereit sind, unentgeltlich den verbliebenen Grund zu bewirtschaften. Zudem dürften Ihnen noch ungefähr fünfzehn Werst Wald bleiben. Das ist alles. Es ist für uns alle eine schwierige Zeit, Gräfin Mitlowskaja « , schließt er.
Antonina weiß, dass ihr die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben steht.
Eine Weile sitzen sie schweigend da. Draußen bellt einer der Hunde, aber eine männliche Stimme bringt ihn zum Verstummen.
» Wissen Sie … ob irgendwelche Grundbesitzer bedroht wurden? « , fragt sie, noch immer das grausame Bild des aufgeschlitzten Felja vor Augen.
Jakowlew zieht die Augenbrauen hoch. » In vielen Regionen herrschen Unruhen und Zwietracht. Doch sobald die ehemaligen Leibeigenen merken, dass ihre Proteste sie auch nicht weiterbringen, und sich bewusst werden, dass sie Gott und dem Zaren danken sollten für das Glück, das ihnen zuteilwurde, wird wieder Ruhe einkehren. «
Antonina ruft sich das Elend ins Gedächtnis, das sie in Tuschinsk gesehen hat. » Glück? «
» Nun, ihre Entlassung in die Freiheit, natürlich. Die letzten Jahrzehnte über wurde so viel Blut vergossen, angefangen mit dem Dezemberaufstand von 1825. Nun haben die Leibeigenen ihre Freiheit, aber sie betragen sich noch immer wie unzufriedene Kinder. « Er schüttelt den Kopf. » Es ist doch so, dass sie in jeder Beziehung von ihren ›Väterchen‹, ihren früheren Grundbesitzern, abhängig waren, aber was taten sie? Immerzu nur jammern. Jetzt haben wir ihnen die Freiheit gegeben, und was tun sie? Sie sind noch unzufriedener als zuvor. « Er seufzt und hält sich den Bauch, als erneut sein Magen knurrt.
Sie steht auf und streckt ihm die Hand hin. » Vielen Dank, Anwalt Jakowlew « , sagt sie. » Wir sind zurzeit sehr beschäftigt. « Sie sieht, wie sich Enttäuschung auf seinem Gesicht breitmacht, als ihm klar wird, dass man ihn nicht bewirten wird.
Er beugt sich über ihre Hand. Als Antonina das schorfige Ekzem auf seinem nackten Schädel sieht, verzieht sie angewidert das Gesicht. » Ich werde Ihnen meine Rechnung dalassen « , sagt er, indem er zu ihr hochsieht. » Aber um Ihre wertvolle Zeit nicht nochmals in Anspruch nehmen zu müssen, können Sie auch … « Er zögert, sucht nach den richtigen Worten. » … um es uns beiden zu ersparen, dass ich wiederkomme, um mein Honorar einzufordern … Sie verstehen, was ich sagen will. « Er steht noch immer über ihre Hand gebeugt da.
» Ja, ich verstehe « , sagt sie und entzieht ihm ihre Hand. » Aber, bitte, brechen Sie nicht auf, ohne etwas zu sich genommen zu haben. Ich bedaure, Ihnen keine Gesellschaft leisten zu können, aber ich werde im kleinen Speisezimmer den Tisch für Sie decken lassen. Und bestimmt gibt es im Keller noch den ein oder anderen erlesenen Wein. Sie können gern ein Glas zu Ihrem Mahl trinken, und … würden Sie mir die Ehre erweisen, zwei, drei Flaschen als kleines Präsent mitzunehmen? «
Antonina kann ihn nicht täuschen, aber Jakowlew ist bereit, das Spiel mitzuspielen. Wieder verbeugt er sich. » Gern, ich fühle mich meinerseits geehrt, Gräfin. «
» Gut, ich lasse gleich ein paar Flaschen heraufbringen « , sagt sie lächelnd.
Das ist mehr, als viele seiner Mandanten ihm in diesen Zeiten bieten können.
Sobald Jakowlew im Speisezimmer sitzt und mit unverhohlenem Appetit Rote-Bete-Salat mit Zwiebeln und Sonnenblumenöl isst, während auf einem Speisenwärmer vor ihm ein Stück Fisch warmgehalten wird, lässt Antonina Ljoscha zu sich rufen.
Den Hut in der Hand betritt der junge Mann das Arbeitszimmer. Er hat die Stiefel ausgezogen, und jemand hat ihm ein Paar Filzpantoffeln gegeben. Sie sind ihm zu klein, sodass seine Zehen gegen den weichen Stoff drücken.
» Kannst du lesen und schreiben, Ljoscha? «
Sie hofft, dass er ihre Frage
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