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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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er immer noch vermisst wird? Was, wenn er schließlich nach Angelkow zurückkommt und sie nicht mehr da ist?
    Sie kann weder diesen Gedanken noch die anderen zu Ende denken. Als sie zu dem Vitrinenschrank mit den alkoholischen Getränken hinübergeht, klopft es an die Tür.
    » Herein « , sagt sie und verharrt neben dem Schrank.
    Es ist Grischa. Er bleibt in der Tür stehen und sieht sie an. » An der Haustür hat niemand aufgemacht, gnädige Frau « , sagt er. » Deswegen bin ich durch den Dienstboteneingang ins Haus gelangt. «
    » Komm herein, Grischa. « Ihn beim Vornamen zu nennen scheint ihr mit einem Mal merkwürdig. In der vertraulichen Atmosphäre des Arbeitszimmers ist es fast zu intim.
    Er nähert sich, bleibt aber ein paar Schritte von ihr entfernt stehen.
    » Was gibt es, Grischa? « Sie muss sich zwingen, erneut seinen Namen auszusprechen.
    » Als Erstes wollte ich mich nach dem Befinden des Grafen erkundigen. «
    » Er hat eine Lungenentzündung. Der Doktor hat mir wenig Hoffnung gemacht. «
    Er nickt respektvoll. Mehr gibt es zwischen ihnen nicht über Konstantin zu sagen. » Ihre Besprechung mit dem Anwalt – haben Sie die nötigen Antworten auf Ihre Fragen bekommen? «
    Antonina seufzt, lässt die Schultern sinken. » Es tut mir leid, dass ich dich nicht dazugebeten habe. Obwohl ich es gesagt hatte, aber nach der Visite des Doktors … « Sie schluckt, und er sieht, wie ihre Oberlippe kaum merklich zittert – » … dachte ich, es sei, besser, wenn ich allein mit Jakowlew fertigwerde. Schließlich hat mein Mann die Probleme verursacht, und jetzt liegen sie in meiner Verantwortung. Und was ich erfahren habe, ist mehr als beunruhigend. Ich möchte gern mit dir über das Gut sprechen, ganz offen und unumwunden wie vorher auch. «
    Seine Kiefernmuskeln spannen sich an. Beim Anblick der festen Konturen seines Kinns fühlt sich Antonina sogleich wieder daran erinnert, wie er in dem zerwühlten Bett zu ihr hinabsah und wie sie mit dem Finger seine hohen Wangenknochen nachzeichnete. Sie weiß jetzt, wie sich sein Haar anfühlt. Seine Armmuskeln. Sein Atem an ihrem Ohr.
    Er kennt die Konturen und intimsten Stellen ihres Körpers, die Beschaffenheit ihrer Haut.
    Plötzlich spürt sie, wie die Hitze in ihre Wangen steigt, und muss seinem Blick ausweichen.
    » Es ehrt mich, dass Sie Wert auf meine Meinung legen « , sagt Grischa und verbeugt sich. Er benimmt sich, als wäre nichts zwischen ihnen geschehen, obwohl es keine vierundzwanzig Stunden her ist. » Was würden Sie gern mit mir besprechen? «
    Wieder fährt sich Antonina mit der Hand über die Stirn, als würde eine Haarsträhne sie stören. Es widerstrebt ihr, ihm zu sagen, dass sie nicht mehr weiß, was sie tun soll. Sie atmet tief ein und aus. » Wir haben kein Geld mehr, um das Gut weiter zu betreiben, Grischa. Der Graf ist hoch verschuldet. Ich muss jetzt eine Möglichkeit finden, wie ich … « Panik steigt in ihr auf. Überleben kann. » Ich brauche deine Hilfe, Grischa. « Sie tritt zu ihm und lehnt, wider alle guten Vorsätze, den Kopf an seine Brust. Er legt den Arm um sie.
    Sie sieht ihn an, kämpft gegen die Panik, die Angst vor dem Verlust des Guts. Und dagegen, dass sie ihn begehrt. Wodka, denkt sie. Wodka wird mir helfen. » Trink ein Glas mit mir. «
    Er geht zu dem Vitrinenschrank und schenkt zwei Gläser Wodka ein. Dann kommt er wieder zu ihr, reicht ihr ein Glas und tritt einen Schritt zurück.
    » Wie komme ich nur an das nötige Geld, um der Regierung die geschuldeten Steuern zu bezahlen und das Gut am Laufen zu halten? « , fragt Antonina, nachdem sie einen Schluck getrunken hat. » Wie soll ich ohne die Dienstboten … « Sie hält inne, will nicht völlig hilflos vor ihm erscheinen. » Ein Gutshaus von dieser Größe verfällt rasch, wenn ihm nicht die nötige Pflege zuteilwird. Was sollen wir bloß tun, Grischa? «
    » Wir? « , sagt Grischa. » Es ist Ihr Gut. «
    Antonina strafft die Schultern. » Ja, natürlich, du hast recht. «
    Grischa wartet, dass sie weiterspricht, während er das Gemälde in ihrem Rücken betrachtet.
    » Wirst du es genauso machen wie die anderen, Grischa, und das Gut verlassen? « Ihre Brust hebt und senkt sich, während sie auf seine Antwort wartet. Sie weiß, was sie hören will – muss.
    Grischa tritt wieder näher. » Wollen Sie denn, dass ich bleibe und Ihnen helfe, das Gut zu betreiben? Dass ich so weitermache wie bisher? «
    Antonina schluckt. Sie nimmt einen tiefen Atemzug und strafft sich.

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