Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
an « , sagt Dr. Molow. Seine Augen sind geschlossen, während er das Ohr auf Konstantins Brustkorb legt, um dessen Lungen abzuhorchen. Er richtet sich wieder auf und holt einen kleinen Gummihammer aus seiner Arzttasche, um Konstantins Brust abzuklopfen; ein dumpfer Laut ist zu hören. » Ja, offensichtlich sammelt sich Flüssigkeit in seiner Lunge. «
Konstantin stöhnt, und Pawel tritt mit einer Flasche und einem Glas neben ihn.
Der Arzt sieht die Flasche an. » Was ist das? « , fragt er.
» Chloroform, Doktor « , antwortet Pawel, » wie Sie angeordnet haben. «
» Ich soll das angeordnet haben? Wann? Meinen Sie nach der Amputation seines Arms? «
Pawel schluckt schwer und nickt.
» Sie lassen ihn regelmäßig Chloroform einatmen? «
» Das hier ist eine Tinktur, mit Alkohol vermischt. Er trinkt davon. Als … « Pawel erkennt am Gesichtsausdruck des Arztes, dass etwas nicht stimmt. » … als die Flasche leer war, die Sie dagelassen haben, habe ich auf Anordnung des Grafen hin veranlasst, dass jemand einen weiteren Vorrat aufs Gut brachte. «
Der Arzt sinkt schwer auf den Stuhl neben dem Bett. » Heilige Mutter Gottes. «
» Was ist denn, Doktor Molow? « , fragt Antonina.
» Sein Benehmen: seine Schreianfälle, die geistige Verwirrung, sein übertriebenes, irrationales Misstrauen und seine Drohungen. «
» Ja. Seit der Amputation hat sich seine geistige Verfassung zusehends verschlechtert. «
Der Arzt steht auf. » Chloroform ist ein Nervengift. Man darf es nur in geringer Dosierung verwenden, beispielsweise um einen Patienten kurzfristig zu betäuben, damit er einen traumatischen körperlichen Eingriff wie eine Amputation ertragen kann. « Er sieht zwischen Pawel und Antonina hin und her. » Das Chloroform hat seinen geistigen Verfall verursacht. «
» Aber Sie haben Pawel doch gesagt … «
» Für die ersten zwei, drei Tage, ja. Aber nicht länger. Nicht täglich und gar über Monate hinweg. « Er schnalzt abfällig mit der Zunge. » Kann eigentlich niemand eine einfache Anweisung ausführen? « Er lässt den Verschluss seiner Tasche zuschnappen und bedeutet Antonina, ihm zu folgen. Bei der Tür bleibt er stehen und sagt mit gesenkter Stimme zu ihr: » Er hat weißlichen Auswurf. Wenn der Auswurf binnen weniger Tage nicht klar wird, wird er an der Flüssigkeit in seiner Lunge ersticken. Es tut mir leid, so unumwunden mit Ihnen reden zu müssen, Gräfin. «
» Aber es besteht die Chance, dass er überlebt? « , fragt Antonina.
» Es gibt kaum Hoffnung, dass er wieder vollständig genesen wird. Man kann nichts tun. Auch sollten Sie wissen … « – der Arzt wirft einen verstohlenen Blick in Konstantins Richtung –, » dass sich, selbst wenn er körperlich wieder genest, sein geistiger Zustand nicht mehr verbessern wird. Der Schaden an seinem Gehirn kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. « Er öffnet die Tür. » Ich fürchte, Gräfin, wie immer es auch ausgehen wird, Sie müssen sich auf eine schwere Zeit gefasst machen. «
Um zwei Uhr nachmittags trifft Rechtsanwalt Jakowlew ein, ein untersetzter, korpulenter Mann.
Von der ganzen Aufregung hat Antonina pochende Kopfschmerzen, dennoch versagt sie sich einen weiteren Schluck aus der Flasche in ihrem Kleiderschrank. Sie muss bei ihrer Besprechung mit Jakowlew einen klaren Kopf haben.
Aus demselben Grund beschließt sie, Grischa nicht hinzuzuholen. Zwar hat sie ihm am Morgen gesagt, dass seine Anwesenheit hilfreich wäre, aber sie weiß, wie sehr seine Nähe sie verwirren würde.
Während sie hinter Konstantins Schreibtisch steht, findet sie Jakowlews ewiges Herumstreichen an seinem Schnurrbart sowie das zwanghafte Blinzeln seines rechten Auges irritierend. In seinen Nasenlöchern stecken Gewürznelken, wofür er sich sogleich entschuldigt: Er habe eine schwere Erkältung, und Nelken würden die Nase befreien.
Jakowlew mustert ihr Gesicht. Seine Erziehung verbietet es ihm, nach der Ursache ihrer Verletzung zu fragen, aber er erkundigt sich nach Michail. » Ihr Sohn … ist immer noch keine Nachricht eingetroffen? «
Antonina schüttelt den Kopf.
» Und der Graf? Wie geht es ihm gesundheitlich? «
» Sein Zustand hat sich weiter verschlechtert. «
Jakowlew murmelt ein paar bedauernde Worte, beginnt jedoch unverzüglich, seine Unterlagen auf Konstantins Schreibtisch auszubreiten. » Gnädige Frau « , sagt er und sieht sie über den Schreibtisch hinweg an. » Die Lage ist in der Tat äußerst ernst. « Wegen der Nelken in seinen
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