Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
Rubel drauflegen. Sag ihm das. «
» Ja, das mach ich. Und wenn er das Geld hat, bringe ich ihn damit zu dir, in Ordnung? «
Soso deutete mit seinem schmutzigen Finger auf die Ikone über dem Herd. » Dahinter ist ein Brief von dem Jungen. Ich hab ihn letzte Woche gezwungen, dass er ihn schreibt. Lew hat mir gesagt, Naryschkin verlangt einen Beweis, dass der Kleine noch lebt, ansonsten wird er uns kein Geld mehr geben. Dort ist er « , wiederholte er, indem er noch immer auf die Ikone deutet.
Lilja nickte. » Ich werde ihn Grischa zeigen. Mir wird er vertrauen. Und dann, Soso, werden wir genug Geld haben, um zu tun, was wir wollen. Wo ist der Junge, Liebster? Weit kann er ja nicht sein, wenn du letzte Woche bei ihm warst. «
Sosos Augenlider drohten wieder zuzufallen. » Du und ich, hm, Lilja? « , sagte er schließlich. » Wir sind gewiefter als die feinen Leute vom Gut, was? «
» Ja, Schatz. Wo ist noch mal dieses Kloster von Sawitsch? « , fragte Lilja erneut, in sanftem, einlullendem Ton. » Weit von hier? «
Sosos Augen waren zugefallen. » Nein. Vor den Toren von Pskow. Kloster Ubenowo, ein gottverlassener Ort. «
Lilja sah auf Soso hinab. Es war so einfach, ihn zu durchschauen und ihn auszuhorchen, vor allem wenn er betrunken war. Sie wusste, dass sie so gut wie tot wäre, sobald Soso das Geld hatte. Bestimmt dachte er nicht daran, es mit ihr zu teilen.
Überraschend machte Soso die Augen wieder auf und zwinkerte ihr zu. Sie sah den schmierigen Belag auf seinen Zähnen. Im nächsten Moment schnarchte er schon wieder.
» Hier entlang « , sagt Lilja zu Grischa, als er am Abend in die Küche kommt. Sie geht an Raisa und Olga und Nuscha vorbei, die nach dem Abendessen die Küche sauber machen und für den kommenden Tag vorbereiten.
Sie führt ihn in die Speisekammer. Es ist ein hoher, länglicher Raum, an allen Wänden stehen Regale voller Lebensmittel: Gläser mit eingelegten Gurken und Pilzen und gekochte Tomaten mit Kräutern, Tüten voller Mehl, Haferflocken und Kleie, Säcke mit Kartoffeln und Zwiebeln, in Mull eingewickelte Zuckerhüte und große Dosen voller Tee.
Sie kommt ohne Umschweife zur Sache. » Ich habe Soso gesehen. Ich weiß, dass er Felja getötet hat, und du weißt das auch. Und ich weiß auch, warum. Er hat mir gesagt, er wartet noch immer auf das Geld, das du ihm bringen solltest. «
Es ist ihr eine Genugtuung zu sehen, wie Grischa schluckt, ehe er etwas sagt, auch wenn das seine einzige Reaktion ist.
» Dann weißt du also, wo er sich aufhält? «
» Ja « , sagt sie nur.
» Ist Michail bei Soso? «
» Nein. Aber er weiß, wo er ist. Und sie sind bereit, ihn zurückzugeben, Grischa. Sie wollen ihn noch vor dem Winter wieder loswerden. Er wird immer aufsässiger, und sie haben immer mehr Mühe, ihn in Schach zu halten. «
Grischa will nicht, dass Lilja merkt, wie begierig er ist, mehr von ihr zu erfahren. Sie hat in letzter Zeit etwas an sich, was ihn beunruhigt. » Und wie bekommen wir den Jungen zurück? «
» Du weißt, es geht nur ums Geld. Aber weil du sie hingehalten hast, wollen sie mehr, sehr viel mehr. Soso sagt, wenn wir ihm genug bringen, wird er uns Michail zurückgeben. «
Grischa schlägt so fest mit der Faust auf ein Regalbrett, dass die Gläser klirrend aneinanderstoßen. » Nein. Sie spielen immer wieder das gleiche Spiel. Ich habe mich bemüht, ihren Forderungen nachzukommen, aber sie halten sich nicht an die Abmachungen. Woher willst du überhaupt wissen, dass Michail noch lebt? «
» Er lebt noch, ich weiß es. «
» Weil dein Mann, für den du nur Verachtung übrighast, dir das gesagt hat? Und glaubst du ihm wirklich? «
Lilja zieht den zusammengefalteten Zettel mit der Nachricht des Jungen aus ihrer Bluse. Sie reicht ihn Grischa. Er faltet ihn auseinander; wie die anderen Nachrichten handelt es sich um ein Blatt mit Noten, die Antonina transponiert hat. Auf der Rückseite sind mit Kohle ein paar Zeilen gekritzelt.
Mama, ich vermisse dich schrecklich. Sie haben mir gesagt, dass Papa tot ist. Ich bin traurig. Ich bete jeden Tag. Ich habe noch immer die restlichen Noten von Glinka. Bitte heb das hier für mich auf, bis ich zu dir zurückkehre, liebe Mamuschka. Von nun an werde ich auf dich aufpassen. Mischa.
» Hast du den Brief Anto… der Gräfin gezeigt? « , fragt er.
» Nein. Ich glaube nicht, dass es klug wäre, jedenfalls noch nicht. «
Grischa mustert Liljas Gesicht. » Glaubst du nicht, dass es sie trösten würde, wenn sie ein
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