Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
für ihre jeweiligen Tanzpartner interessierte, lächelte sie unbewusst.
Wann immer sie am Orchester vorbeiwirbelte, fing sie den Blick des Geiger auf. Als sie unter dem Vorwand, ihren müden Füßen eine Pause gönnen zu wollen, einem Leutnant in zu engen Hosen eine weitere Polka ausschlug, stellte sie sich mit ihrem Champagnerglas zu einer Schar unverheirateter junger Frauen von den benachbarten Gütern. Sie fächelten sich Luft zu und unterhielten sich mit hohen, atemlosen Stimmen, während sie den Tanzenden zusahen und sich über die körperlichen Vorzüge des einen oder anderen männlichen Tänzers ausließen. Antonina hörte ihnen lächelnd zu und nickte immer wieder, während sie versuchte, den Geiger in ihrem Blickfeld zu halten.
Als die Musiker ihre Instrumente ablegten, um vor der nächsten Tanzrunde eine kurze Pause zu machen, bemerkte Antonina, wie ihre Mutter ungeniert mit dem Leutnant mit den zu engen Hosen flirtete. Sie berührte ihn am Ohr, ließ ihr klirrendes Lachen vernehmen und wisperte ihm etwas zu, die Lippen nah an seiner Wange. Der Leutnant lachte herzhaft und umfasste ihre Taille. Antonina sah von ihrer Mutter zu dem Geiger. Während er die Saiten seiner Geige mit einem Harzklumpen einrieb, beobachtete er ebenfalls ihre Mutter.
Antonina schämte sich für ihre Mutter und war wütend auf sie, weil diese dem jungen Mann so offen zeigte, wie unwichtig er für sie war.
Sie ging zu ihr. » Mutter « , sagte Antonina und zog sie an der Hand weg, sodass Galina Maksimowna widerstrebend den Leutnant stehen lassen musste, » ich möchte gern, dass das Orchester Glinkas Séparation in f-Moll spielt. Es ist mein Lieblingsstück. «
Ihre Mutter wedelte mit der Hand in Richtung Orchester. » Dann sag es ihnen selbst. « Sie standen jetzt in der Nähe des Geigers. Antonina sah ihn an.
» Entschuldigen Sie « , sagte sie und trat auf die niedrige Bühne. Der Geiger ließ den Harzklumpen sinken und stand auf. Antonina bedachte erst ihn, dann ihre Mutter mit einem kühlen Blick. » Mutter « , sagte sie, » ich glaube, ihr beide kennt euch schon. Oder täusche ich mich? «
Weder ihre Mutter noch der Musiker antworteten ihr, aber der junge Mann verbeugte sich vor Antonina. » Ich heiße Walentin Wladimirowitsch Kropotkin. « Er hob den Kopf und sah ihr in die Augen. Es war der gleiche Blick, mit dem er sie über die Schulter ihrer Mutter hinweg bedacht hatte.
Antonina bemühte sich, ihren Atem zu kontrollieren. » Ich sagte gerade zu meiner Mutter, dass ich gern Glinkas Séparation in f-Moll vom Orchester hören würde. Können Sie es für mich spielen? « So nahe bei dem Geiger zu stehen ließ ihr Herz schneller schlagen. Ohne seine Antwort abzuwarten, sah sie wieder ihre Mutter an. » Dir gelingt es bestimmt, ihn dazu zu bringen, dir jeden Wunsch zu erfüllen, habe ich recht, Mutter? «
Galina Maksimowna runzelte die Stirn, warf dem jungen Musiker einen verstohlenen Blick zu und sah dann wieder Antonina an. » Was meinst du damit, Antonina? «
» Das weißt du ganz genau, Mutter. Hast du nicht schon einmal von ihm bekommen, was du wolltest? «
» Mademoiselle, natürlich werden wir Ihren Wunsch erfüllen « , sagte Walentin, indem er Galina Maksimowna überging und sich direkt an Antonina wandte. » Schließlich ist es Ihr Ball. Ich werde mit dem Dirigenten sprechen, damit wir diese kleine Änderung im Programm vornehmen. «
Antoninas Mutter ließ einen vorbeikommenden Kellner anhalten und nahm ein Glas Champagner von seinem Tablett.
» Es wird uns eine große Freude sein, zur Feier Ihres Namenstages etwas Besonderes für Sie zu spielen, Prinzessin Olonowa. Wir haben sämtliche Glinka-Stücke im Repertoire. Wenn es Ihnen recht ist, spielen wir es ganz zum Schluss. «
Antonina mochte den Klang seiner Stimme. Auch gefiel ihr, dass er ihrer Mutter keine Beachtung schenkte. » Ja, gern. Danke « , sagte sie, ohne zu lächeln. » Walentin Wladimirowitsch « , fügte sie hinzu. Indem sie ihn mit seinem Namen anredete, erwies sie ihm ihren Respekt.
Nachdem das Orchester um drei Uhr morgens den letzten Walzer beendet hatte, machten die Tanzenden Anstalten, den Saal zu verlassen.
Doch der Dirigent tippte vernehmlich mit dem Taktstab an das Notenpult und rief: » Meine Damen und Herrn, wenn Sie erlauben, folgt ein weiteres letztes Stück. Es ist kein Tanz, sondern ein Nocturne, und wir spielen es auf besonderen Wunsch der jungen Prinzessin Antonina Leonidowna zu Ehren ihres Namenstages. «
Er sah sie
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