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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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schwingen.
    Wenn Konstantin in jenem ersten Monat ihrer Ehe zu ihr ins Schlafzimmer kam, legte er sich im Dunkeln neben sie ins Bett und küsste ihre Hand. Dann streichelte er ihr das Haar und das Gesicht und schob sich, nachdem er umständlich an seinem Nachthemd genestelt hatte, auf sie. Aber jedes Mal passierte das Gleiche wie in ihrer Hochzeitsnacht in Pskow. Es gelang ihm nicht, die Ehe zu vollziehen.
    Und sie drückte immer die Augen fest zu und hielt den Atem an, bis er schließlich eines Abends zu ihr sagte: » Mein lieber Engel, ich bitte dich. Du musst auch ein bisschen zärtlich zu mir sein. «
    Zum ersten Mal schwang in seiner Stimme eine Spur Traurigkeit mit. Am Abend zuvor war er bei Tanja gewesen – eine wöchentliche Gewohnheit, die er sechs Monate nach dem Tod seiner ersten Frau aufgenommen hatte. Noch nie hatte er im Bett solche Schwierigkeiten gehabt wie jetzt mit Antonina. Tanja erinnerte ihn sowohl vom Alter als auch ihrer äußeren Erscheinung nach an seine erste Frau, und das genügte. Mit der ersten Gräfin – Irina Denisowna – hatte er die physische Seite der Ehe genossen, er hatte sich kraftvoll und männlich mit ihr gefühlt, so wie auch mit Tanja. Aber dieses Mädchen … die Art, wie es sich ihm gegenüber benahm, ließ ihn sich alt und kraftlos fühlen.
    Antonina indes wusste, dass sie ihrem Mann gegenüber eine Pflicht zu erfüllen hatte. Das Ehebett war, wenn sie die Andeutungen in ihren Romanen richtig verstanden hatte, der Ort, wo die Liebe vollzogen wurde. Aber sie empfand keine Liebe für Konstantin, und sie konnte sich in keiner Weise vorstellen, dass die peinliche Vereinigung ihrer Körper ihr je Lust bereiten könnte. Oft dachte sie an die Szene zwischen ihrer Mutter und Walentin; was fühlte ihre Mutter dabei, dass sie sich dabei so frei und ungehemmt gebärden konnte? Offensichtlich hatte sie den jungen Geiger nicht geliebt, und doch hatte sie das nicht davon abgehalten, den Akt zu genießen.
    Antonina wusste, was man von ihr erwartete und dass es zur körperlichen Vereinigung kommen musste, wenn sie ihm Kinder schenken wollte – denn aus diesem Grund hatte er sie geheiratet.
    » Spürst du nicht … gibt es nichts, was ich tun kann, Antonina? « , sagte Konstantin verbittert und rollte von ihr herunter. Doch statt wieder zu gehen, drapierte er zwei Kissen an das Kopfende des Bettes, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Antonina tat es ihm gleich, sodass sich ihre Schultern in der Dunkelheit berührten.
    » Ich weiß ja, dass du jung und temperamentvoll bist « , sagte er nach einer Weile. » Glaub ja nicht, ich sei so dumm, mir einzubilden, du würdest es genießen, mit mir verheiratet zu sein. Ich bin mir sicher, du hast bis vor Kurzem nicht im Entferntesten damit gerechnet, dich eines Tages hier wiederzufinden, in diesem Bett mit mir. «
    Er hatte recht. Antonina hatte nichts hinzuzufügen.
    » Aber, Tosja « , fuhr er fort, als ihm klar wurde, dass sie ihm nicht widersprechen würde, » ich möchte ein Kind haben – einen Sohn und Erben. Es war für mich die größte Enttäuschung meines Lebens, dass meine erste Frau mir keine Kinder geschenkt hat. Doch wir beide haben jetzt diese Chance. Gibt es denn nichts an mir, das du reizvoll findest? « , fragte er. » Gar nichts? «
    Als er seine Frage in hoffnungslosem Ton wiederholte, regte sich ihr Mitgefühl. Sie fühlte sich in keiner Weise von ihm angezogen. Die grimmige Entschlossenheit, mit der er alle paar Nächte immer wieder versuchte, in sie einzudringen, bereitete ihr großen Verdruss. Aber plötzlich tat er ihr leid, wahrscheinlich weil er so niedergeschlagen klang.
    » Es gefällt mir, wenn du mir beim Abendessen erzählst, was sich auf dem Gut tut, und wenn ich an deinem Gesicht erkennen kann, wie gern du mir beim Klavierspielen zuhörst. « Sie räusperte sich. » Ich weiß, dass du das nicht wirklich gemeint hast, was du sagtest – am Tag nach unserer Hochzeit –, dass ich … hohl sei. Das meintest du doch nicht wirklich, oder, Konstantin? « Irgendwie war es in diesem Moment wichtig für sie, dass dieser Mann – ihr Ehemann – sie für klug hielt.
    Ohne ihre Frage zu beantworten, ließ er den Blick zum Nachttisch schweifen. » Was ist das für ein Buch? « , fragte er und ergriff es.
    » ›Eugénie Grandet‹ von Honoré de Balzac. «
    » Würdest du mir daraus vorlesen? Einfach nur eine kurze Passage? « , fragte er, indem er ihr das Buch reichte, ehe er die

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