Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
Vom Netzwerk:
vorläufig mein letzter Besuch sein. Er braucht meine Dienste nicht mehr. Er ist jetzt auf dem Weg der Besserung, scheint sich aber nicht bewusst zu sein, was in den letzten Wochen vorgefallen ist. « Die Augenbrauen des Arztes ziehen sich leicht nach oben. » Er hat vom Novemberaufstand der Polen von 1830 geredet. Er glaubt, er sei bei diesen Kämpfen verwundet worden. Hat er einmal in der Armee des Zaren gekämpft, Gräfin? «
    » Nein. «
    » Nun, sein Körper hat ein schlimmes Trauma erlitten. Aber ich bin sicher, dass er wieder geistige Klarheit erlangen wird. Fürs Erste sollte man ihn nicht mit dem, was tatsächlich geschehen ist, aufregen und jede Art beunruhigender Nachricht vermeiden. «
    Antonina hat eine merkwürdige Angst davor, Konstantins Zimmer zu betreten; seit einer Woche war sie nicht mehr bei ihrem Mann. Zu ihrer großen Überraschung setzt er sich bei ihrem Eintreten im Bett auf; er ist gekämmt und rasiert. Er ist schrecklich dünn geworden und sieht jetzt wirklich wie ein alter Mann aus. Der Stummel seines rechten Arms ist verbunden.
    » Ah, Antonina « , sagt Konstantin.
    Sie setzt sich neben sein Bett. Der Anblick seines verbundenen Armstumpfs ist ihr unerträglich.
    » Ich hoffe, du bist wohlauf « , sagt ihr Mann, und sie versucht zu lächeln, weil er so aufgeräumt klingt, als wäre alles normal. Doch bei seinen nächsten Worten beginnt ihr Mund zu zittern. » Es ist schön, wieder zu Hause zu sein. Und jetzt bring mir meinen Sohn. Er soll sehen, dass sein Papa von der Front zurückgekehrt ist. «
    Antonina blickt zu Dr. Molow. Pawel hält ihm seinen Mantel hin, und der Doktor ist mit einem Arm hineingeschlüpft.
    » Kostja. Unser Mischa … « Wieder sieht sie hilfesuchend zum Arzt, doch der schüttelt den Kopf. » Er ist … im Unterricht. Er wird später zu dir kommen. «
    » Schön « , sagt Konstantin. » Dann nach dem Abendessen, bitte « , fügt er hinzu und schließt die Augen.
    Antonina folgt dem Arzt aus dem Zimmer und die Treppe hinunter.
    » Und wie geht es Ihnen, Gräfin? Können Sie schlafen? «
    » Ein wenig. «
    » Sie müssen versuchen, Ihre Kräfte zu schonen. Ihr Mann wird sie jetzt mehr denn je brauchen. «
    Antonina will von ihm keine Belehrungen. » Ich brauche wieder Laudanum. «
    Er zögert, dann zieht er eine Flasche aus seiner Tasche. » Gehen Sie sparsam damit um, Gräfin. «
    Auch wenn die Wunde allmählich heilt, hat Konstantin noch immer Schmerzen und spürt ein Ziehen in dem amputierten Teil seines Arms. Immerzu jammert er, ist verdrießlich, verlangt, dass man ihm Äthertinktur verabreicht.
    Und Pawel gehorcht. Als die erste Flasche leer ist und Pawel es ihm sagt, regt Konstantin sich so auf, schreit und schlägt um sich, dass es Pawel erst nach mehr als einer Stunde gelingt, ihn zu beruhigen. Konstantin befiehlt ihm, mehr von dieser Lösung zu besorgen, und gibt ihm ein paar Rubel aus dem kleinen Tresor in seinem Zimmer. Er nennt ihm den Namen eines Mannes in Pskow, der jedes Medikament besorgen kann.
    Eines Nachmittags, als Antonina wieder einmal an seinem Bett sitzt und das Gefühl hat, dass er einigermaßen bei klarem Verstand ist, spricht sie über Michail. » Du erinnerst dich doch, nicht wahr, Kostja, was unserem Sohn zugestoßen ist? Dass er entführt wurde? « Ihre Stimme klingt leise in dem Schlafzimmer, das Konstantin immer noch nicht verlassen will.
    » Ja, ich erinnere mich. « Abwesend starrt er ins Kaminfeuer. » Er ist tot, unser Sohn. «
    » Nein! Nein, Kostja, er ist nicht tot. «
    » Doch, er ist tot. Wie lange ist es jetzt her, dass sie ihn uns weggenommen haben? «
    Antonina schluckt schwer. » Sechs Wochen. «
    Konstantin dreht den Kopf zu ihr; seine Pupillen sind geweitet. » Du glaubst, dass er noch am Leben ist? Die Kosaken haben ihr Geld bekommen. Dann haben sie ihn getötet und die Provinz verlassen. Es ist vorbei. Aus und vorbei. Pawel! « , ruft er, und sofort kommt der Diener mit der Tinktur.
    » Er ist nicht tot, Konstantin « , sagt Antonina im Flüsterton.
    » Lass einen Grabstein für ihn machen und ihn auf dem Friedhof hinter der Erlöserkirche aufstellen « , ordnet Konstantin an. » Neben dem von meiner Irina. «
    » Hör auf, so zu reden! Hör auf damit. Ich will nichts mehr davon hören. « Antonina rennt hinaus. In ihrem eigenen Zimmer angekommen schlägt sie die Tür hinter sich zu und schließt ab, als könnte sie damit Konstantins Worte aussperren.
    Sie setzt sich aufs Bett, und ihr Blick fällt auf die Flasche

Weitere Kostenlose Bücher