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Das Lied der Klagefrau

Das Lied der Klagefrau

Titel: Das Lied der Klagefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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größeren Liebesbeweis als den Verzicht. Ich will auf mein Glück verzichten, damit ihr wieder glücklich werdet. Sie ist die Richtige für dich – nicht ich.«
    Nun stürzten bei Heinrich doch wieder die Tränen hervor, und diesmal ließ er es zu, dass Abraham ihn in die Arme nahm und tröstend wiegte.
    Nach einer Weile befreite er sich und sagte: »Wir müssen vernünftig sein. Wenn Pentzlin aufwacht und uns sieht, könnte er die Situation missverstehen.«
    »Er wird nicht aufwachen.« Abraham wollte Heinrich wieder in die Arme nehmen, aber dieser fragte: »Wieso, schläft er denn so fest?«
    Abraham schwieg.
    »Wenn du so schweigst, verheimlichst du mir etwas. Ich kenne dich besser, als du denkst. Was ist mit Pentzlin los?«
    »Ich habe ihm ein Sedativ gegeben, mehr nicht.«
    Heinrich kniff die Augen zusammen. »Entschuldige, Julius, aber das klingt nicht sehr logisch. Wenn ich wochenlang versuche, einen Patienten zu erwecken, gebe ich ihm kein Sedativ, kaum dass er wach geworden ist. Da stimmt doch etwas nicht? Erzähl es mir. Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren. Immerhin haben wir zusammen mit dem Elektrophor gearbeitet, um Pentzlin und seine bedauernswerten Kumpel wieder ins Diesseits zu holen.«
    »Es ist eine Sache, in die du nicht hineingezogen werden sollst.«
    »Vertraust du mir etwa nicht?«
    »Doch, doch, natürlich, aber …«
    »Willst du mich beleidigen?«
    »Nein, Donner und Doria, das will ich nicht …«
    »Dann heraus mit der Sprache.«
    Abraham seufzte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Vorfälle mit der unbekannten, schemenhaften Gestalt zu schildern und anzudeuten, dass Burck und Gottwald nicht eines natürlichen Todes gestorben waren. Er tat es mit knappen Worten, vermied jede Einzelheit und versuchte, möglichst gleichgültig dabei zu klingen.
    »Und weiter?«
    »Nichts weiter.«
    Heinrich bemühte sich noch ein paarmal, mehr aus Abraham herauszuquetschen, aber es gelang ihm nicht. Schließlich gab er es auf. »Du bist ein Dickkopf, Julius.«
    »Das sagt Alena auch immer.«
    »Ja, Alena. Ich habe das Stichwort verstanden. Ich werde jetzt gehen.«
    »So habe ich das nicht gemeint.«
    »Ich werde trotzdem gehen.« Heinrich stand auf und beugte sich zu Abraham herab. »Leb wohl – und pass auf dich auf.« Er küsste ihn auf die Wange.
    Es war nur ein Wangenkuss. Aber er war voller Glut.
    Als Heinrich fort war, ging Abraham in seine Stube, streckte sich auf seinem Dielenlager aus und versuchte zu schlafen.
    Er wollte Kraft sammeln für die kommende Nacht.
     
     
    Nachdem Hasselbrinck zufällig mit angehört hatte, wie Professor Richter Abraham befahl, sich bei dem Prorektor im Universitätsgebäude zu melden, hatte er seine Arbeit liegenlassen und sich umgehend auf den Weg in die Güldenstraße gemacht. Nun stand er vor dem Haus mit der Nummer 3, betätigte den Türklopfer und wartete auf Einlass.
    Wie er erhofft hatte, war es Alena, die ihm öffnete.
    Hasselbrinck drehte die Kappe in den Händen und sagte: »Einen schönen guten Tag, wünsche ich, Frau Doktor, ich bin Hasselbrinck, wie Ihr Euch vielleicht erinnert.«
    »Ja, natürlich, Hasselbrinck, wir haben uns schon ein- oder zweimal gesehen. Kommt doch herein.« Alena führte Hasselbrinck in die Küche. »Setzt Euch. Nehmt Ihr einen Kaffee? Es ist guter Kaffee, kein Zichoriengebräu.«
    »Ich bin so frei, Fau Doktor. Aber nur, wenn’s keine Umstände macht.«
    »Nein, nein.« Alena hantierte geschickt mit Kohle und Kanne und stellte Hasselbrinck kurz darauf eine dampfende Tasse vor die Nase.
    »Danke, Frau Doktor.«
    »Sagt nicht immer ›Frau Doktor‹ zu mir. Ich führe den Titel nicht. Was kann ich für Euch tun?«
    »Tja.« Da Hasselbrinck nicht recht wusste, wie er anfangen sollte, trank er erst einmal einen Schluck. »Der Kaffee ist gut, Frau Do…, ich meine, Frau Abraham.«
    »Das freut mich.« Alena fragte sich bang, ob etwas mit Abraham passiert sei. Seit Samstag, als Henrietta bei ihr gewesen war, hatte sie mit sich gekämpft, ob sie ihn aufsuchen solle, und sich schließlich am Sonntagvormittag auf den Weg zu dem kleinen Hospiz gemacht. Doch als sie dort eingetroffen war, hatte es geheißen, der Herr Doktor sei unterwegs. Wo, wisse man nicht. Sie war unverrichteter Dinge wieder umgekehrt, das Herz voller Sorgen. Am Sonntagnachmittag und am heutigen Montag hatte sie im Haus alle Hände voll zu tun gehabt, denn die Beine der Witwe kränkelten mal wieder und bedurften strenger Bettruhe. So hatte Alena nicht

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