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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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die Begegnung mit Ronald McPhearson-Grant, doch so unvermittelt Stephen Polkinghorn gegenüberzustehen, das überraschte sie sehr. Nachdem Stephen seine Beziehung zu Hetty, die glücklicherweise außer einem gebrochenen Herzen keine weiteren Folgen gehabt hatte, beendete, hatte Susan ihn nicht wiedergesehen.
    »Susan … oder ich sage besser Peggy Sue …«, begann er mit seinem für ihn so typischen, leicht spöttischen Lächeln, »es freut mich, dich hier so unerwartet zu treffen.«
    »Geht es dir gut?« Die Frage war das Erste, was Susan einfiel.
    Er nickte grinsend. »Ich habe geheiratet.«
    »Oh!« Susan war sichtlich überrascht, dass es einer Frau gelungen war, Stephen zu zähmen. Sie sah sich um. »Ist deine Frau auch hier?«
    »Nein, sie erwartet unser erstes Kind, es dauert nicht mehr lange. Da wollte sie sich dem Trubel dieses Tages nicht aussetzen.«
    »Ich verstehe«, sagte Susan und überlegte, wie sie Stephen wieder loswerden konnte.
    »Meine Frau ist übrigens mit den Callingtons verwandt«, sagte Stephen plötzlich. »Du erinnerst dich doch noch an Lavinia Callington und an Sumerhays, nicht wahr? Dort haben wir uns kennengelernt.«
    Susan lief ein kalter Schauer über den Rücken, obwohl es ein warmer und sonniger Sommertag war. Warum musste immer dann, wenn sie meinte, mit der Vergangenheit abgeschlossen und diese vergessen zu haben, jemand auftauchen und sie daran erinnern. Sie lachte, aber es klang gekünstelt.
    »Dann bist du also wieder gesellschaftsfähig? Den Callingtons wird eine Verwandtschaft mit dir weniger gefallen, nicht wahr?«
    Stephen stimmte in ihr Lachen ein. Er schien nicht zu merken, wie unwohl Susan sich fühlte. Er bot ihr seinen Arm.
    »Hast du Hunger? Komm, ich lade dich zum Essen ein, dabei können wir über alte Zeiten sprechen.«
    In diesem Augenblick trat Charles Landsbury zu ihnen. Kühl musterte er Stephen und sagte: »Die Dame ist mit mir hier.«
    »Dame?«, sagte Stephen mit ironischem Unterton, und dann an Susan gewandt: »Ich hätte mir denken können, dass ein Galan auf dich wartet. Es hat sich nichts geändert, nicht wahr?«
    »Du gehst jetzt am besten.« Susan machte aus ihrer Verärgerung keinen Hehl.
    Stephen deutete eine Verbeugung an.
    »Ich nehme nicht an, dass ich Lady Callington von dir grüßen soll?«
    »Das ist nicht nötig.«
    Susan ergriff Charles’ Arm und wandte sich zum Gehen, konnte aber nicht verhindern, dass Stephen ihnen nachrief: »Lavinias Kind ist übrigens ein entzückendes Mädchen. Wie schade, dass du deines verloren hast.«
    Susan merkte, wie Charles zusammenzuckte. Er wartete, bis Stephen außer Sicht war, dann fragte er mit einem scharfen Unterton: »Was sollte die Bemerkung eben? Hast du etwa ein Kind?«
    »Ich wurde krank und erlitt eine Fehlgeburt.« Susan wusste, sie würde Charles’ Fragen nicht ausweichen können. »Es ist Jahre her …«
    »Du hättest mir das sagen sollen.« Der Vorwurf in seiner Stimme war unüberhörbar.
    »Warum? Das ist lange, bevor wir uns begegneten, geschehen.« Susan war nicht gewillt, sich Charles gegenüber zu rechtfertigen. »Für unsere Beziehung spielt es keine Rolle, dass ich einmal ein Kind verloren habe.«
    Charles war stehen geblieben und sah Susan ernst an. Fast bedeutungsvoll schob sich eine Wolke vor die Sonne, und wie der Himmel, so verdunkelte sich auch sein Blick.
    »Ich bin davon ausgegangen, dass du keine Kinder bekommen kannst«, sagte er offen. »Du bist schließlich nicht mehr die Jüngste, und ich dachte …«
    »Was dachtest du?« Ein bitterer Geschmack stieg Susan in den Mund, sie ahnte, worauf er hinauswollte.
    »Nun ja, bei deinem Lebenswandel … ich meine, ich war ja nicht der einzige Mann, mit dem du das Bett teilst. Zuerst wunderte es mich, dass du kein Kind hast, dann sagte ich mir jedoch, dass es eben Frauen gibt, die nicht empfangen können. Ich kann das Risiko einer Schwangerschaft nicht eingehen, das verstehst du doch, oder?«
    Susan verstand es nicht. Obwohl sie wie auch Charles recht unkonventionell lebten und die Leute, mit denen sie hauptsächlich verkehrten, alle bestehenden Moralvorstellungen über den Haufen warfen, war das Thema Schwangerschaft immer noch etwas, über das nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde. Sie hatte keine Veranlassung gesehen, Charles zu erzählen, dass sie vor zwei Jahren von der Schottin Marie Stopes gehört hatte, der es als erste Frau gelang, am University College in London Botanik und Geologie zu studieren. Aber nicht nur

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