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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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Tante?«
    »Anabell, du sollst fremde Leute nicht einfach duzen!«, ermahnte Nancy, Susan winkte jedoch ab. Sie ging vor Anabell in die Hocke und zog das Kind kurz an sich.
    »Wir sind doch keine Fremden mehr, nicht wahr? Wir sind Freunde. Ja, ich werde morgen wieder hier sein. Wir können dann wieder Ball spielen.«
    »Ich weiß nicht, ob das Mylady recht sein wird.« Nancy sah Susan bedauernd an. »Lady Callington möchte nämlich nicht, dass Anabell viel Kontakt mit anderen Menschen hat. Sie vergöttert das Kind und lässt sie kaum aus den Augen. Nur am Nachmittag, wenn Mylady sich hinlegt, um etwas zu ruhen, oder allein ausreitet, können wir Sumerhays verlassen.«
    »Nun, Lady Lavinia muss von unseren kleinen Treffen ja nichts erfahren.« Verschwörerisch zwinkerte Susan Nancy zu. »Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, Miss Lewarne, und ich hoffe, wir können unsere Bekanntschaft fortsetzen.«
    Nancy knickste und lächelte. »Ich denke, Mylady wird nichts dagegen haben, denn Sie sind ja eine richtige Dame.«
    Während Anabell an Nancys Hand fortging, blickte Susan den beiden nach. Plötzlich drehte sich Anabell um und winkte ihr noch mal zu.
    »Verzeihen Sie bitte, aber …«
    Während der letzten Stunde hatte Susan das ältere Ehepaar, das ebenfalls den Teegarten aufgesucht hatte, völlig vergessen. So war sie erstaunt darüber, die beiden immer noch vorzufinden, und auch, dass die Dame sie plötzlich ansprach.
    »Mein Mann und ich … wir wurden Zeugen Ihres Gesprächs«, sagte die Dame. »Nicht, dass wir lauschen wollten, aber als das kleine Missgeschick mit Ihrer Teetasse geschah, war es unvermeidlich, Ihrer weiteren Unterhaltung zu folgen.«
    »Das macht doch nichts«, wiegelte Susan ab und fragte sich, was die Dame von ihr wollte.
    »Nun, schon bevor dieses Kind kam, sagte ich zu meinem Mann, dass ich Sie irgendwoher kenne. Mein Gedächtnis ist jedoch nicht das beste, ich bin aber davon überzeugt, Sie schon einmal gesehen zu haben.«
    Susan musterte die Dame von oben bis unten, dann ging ihr Blick zu deren Mann. Sie schüttelte den Kopf.
    »Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht erinnern …«
    »Ach, Beth irrt sich häufig.« Nun mischte sich der Mann in das Gespräch. »Es ist ja auch gleichgültig, ob wir uns kennen oder nicht.«
    »Ich bin überzeugt, dass wir uns nie vorgestellt worden sind«, sagte Susan bestimmt und griff nach ihrem Sonnenschirm. Vor ihr lag noch ein langer Weg über den Küstenpfad zurück nach Polperro, und es war Zeit, aufzubrechen. Die Dame ließ jedoch nicht locker.
    »Als Sie vorhin Ihren Namen nannten, ich glaube, Sie sagten, Sie heißen Dorothea Landsbury, nicht wahr?« Susan nickte, ihr wurde plötzlich unbehaglich zumute. Keinen Moment hatte sie daran gedacht, dass ihre Unterhaltung mit Nancy Lewarne ungebetene Zuhörer haben könnte. Die Dame zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne und fuhr dann fort: »Ich bin mir sicher, Sie schon mal gesehen zu haben, da trugen Sie aber einen anderen Namen. Einen kurzen Namen …«
    »Ach, Beth, so lass doch.« Dem Mann wurde das Verhalten seiner Frau immer unangenehmer. »Die junge Dame kennt dich nicht, und du verwechselst sie bestimmt mit jemandem.«
    »Nein, ganz sicher nicht.« Plötzlich ging ein Lächeln über ihr Gesicht. »Jetzt weiß ich es, woher ich Sie kenne. Ja, ich bin mir ganz sicher! Es war im letzten Herbst, im Oktober, um genau zu sein, als ich unseren Sohn in London besuchte. Er schleppte mich ins Theater. Es war ein furchtbares Stück mit viel Singsang und ohne große Handlung und furchtbar ordinär, wie ich fand, meinem Sohn schien es jedoch zu gefallen.«
    Ein Klumpen bildete sich in Susans Magen. Mühsam beherrscht sagte sie: »Da ich in London lebe, kann es natürlich möglich sein, dass ich an diesem Abend auch im Theater war. Als mein Mann noch lebte, gingen wir oft aus …«
    »Nein, Sie waren nicht im Publikum«, unterbrach die Dame und schüttelte den Kopf. »Sie waren auf der Bühne, ich bin mir ganz sicher. Ach, wenn mir nur Ihr Name einfallen würde …«
    Entschlossen spannte Susan ihren Schirm auf und wandte sich zum Gehen.
    »Sie
müssen
sich irren«, sagte sie bestimmt. Lediglich das leichte Zucken eines Augenlids verriet ihre Anspannung. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden?«
    Sie ließ das Ehepaar stehen und ging mit erhobenem Kopf davon. Am liebsten wäre sie gerannt, als ob der Teufel hinter ihr her wäre, aber sie durfte sich nicht verdächtig machen.

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