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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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spielen, wollte wieder auf den Brettern, die die Welt bedeuteten, stehen. Der Bruch ihres Schlüsselbeins war vollständig verheilt, ihren Arm zu bewegen, bereitete ihr keine Schmerzen mehr, und, sosehr sie die Landschaft Cornwalls auch liebte, London begann ihr zu fehlen. Nicht nur die Stadt, sondern auch ihre Freunde. Damit meinte Susan nicht die Menschen, denen sie auf den zahlreichen Partys begegnet war, sondern die, die ihr wirklich nahestanden, wie Doro, Joan und Hetty. Ja, Susan begann sogar, Theo und seine knappe, manchmal schon barsche Art zu vermissen. Die Zeit am Meer hatte ihr gutgetan. Sie wusste nun, dass sie ans
Blue Horizon
zurückwollte, wenn Theo sie wieder in die Truppe aufnehmen würde. Sollte Esperanza Montoya doch die Hauptrollen spielen – sie, Susan, würde sich auch mit Nebenrollen zufriedengeben. Hauptsache, sie konnte wieder auf der Bühne stehen und mit den Menschen zusammen sein, die ihr etwas bedeuteten.
    Sie, Nancy und Anabell hatten sich erst am Vortag getroffen, dennoch ging Susan an diesem Nachmittag zur Talland Bay. Der Weg dorthin war ihr eine liebe Gewohnheit geworden, und sie wollte sich auch von der freundlichen Serviererin der Teestube verabschieden und ihr ein großzügiges Trinkgeld zustecken. Susan rechnete nicht damit, Anabell heute zu sehen, denn das Kind kam nie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in die Bucht. Nancy Lewarne hatte ihr erklärt, dass Lady Lavinia darauf bestand, selbst Zeit mit ihrer Tochter zu verbringen. In den letzten Monaten hatte die Lady aber zahlreiche Termine in diversen Komitees wahrzunehmen oder musste Pflichtbesuche in der Nachbarschaft erledigen, so dass Lady Lavinia am Nachmittag oft nicht in Sumerhays war. Sie richtete es aber stets so ein, dass sie immer zwei oder drei Tage zu Hause war. Diese Zeit gehörte dann ganz ihr und Anabell.
    Während sich Susan dem schmalen Sandstrand näherte, sah sie, dass an einem der wenigen Bäume ein Pferd angebunden war. Das war ungewöhnlich, denn auch über das Dorf Talland war der Abstieg zur Bucht steil und steinig, so dass sich hierher nur selten Reiter verirrten. Als sie dann jedoch die hochgewachsene, schlanke Dame in dem taubenblauen Reitkostüm erkannte, die aus der Teestube trat, durchfuhr Susan ein eisiger Schreck. Die Frau hatte offenbar auf sie gewartet, denn sie kam mit energischen Schritten auf Susan zu, packte sie am Arm und zischte: »Lassen Sie uns ein paar Schritte gehen.«
    Lavinia Callington zog Susan von den Tischen weg, an denen Gäste saßen, damit niemand ihre Unterhaltung verfolgen konnte.
    »Lady Lavinia …« Es kam selten vor, dass es Susan die Sprache verschlug, nun jedoch wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Lavinia ließ sie ohnehin nicht zu Wort kommen.
    »Was fällt Ihnen eigentlich ein?« Jetzt, da niemand mehr in Hörweite war, hob Lavinia ihre Stimme. »Haben Sie wirklich geglaubt, ich fände es nicht heraus, dass Sie sich an meine Tochter heranmachen?«
    »Unsere erste Begegnung war Zufall«, begann Susan zu erklären, wurde von Lavinia sogleich scharf unterbrochen.
    »Ich glaube nicht an Zufälle. Dieses verantwortungslose Kindermädchen, der ich meinte, meine Tochter anvertrauen zu können, habe ich auf der Stelle entlassen.«
    »Nancy trifft keine Schuld, Mylady.« Susan machte einen erneuten Versuch der Erklärung. »Sie hat keine Ahnung, wer ich bin und …«
    Erneut fiel Lavinia ihr ins Wort. »Verschwinden Sie von hier, und lassen Sie mich und meine Familie in Ruhe.«
    In Susan regte sich Trotz. »Ich habe jedes Recht, ein paar Urlaubstage in dieser Gegend zu verbringen …«
    »
Sie
haben überhaupt keine Rechte!« Der Blick aus Lavinias Augen war so voller unterdrückter Wut, dass Susan fürchtete, Lavinia könnte die Beherrschung verlieren und sie schlagen. »Wir haben eine Vereinbarung, bei der Sie zugestimmt haben, keinen Kontakt zu
meiner
Tochter aufzunehmen.«
    Susan straffte die Schultern und hob das Kinn. Sie würde sich nicht mehr behandeln lassen wie vor ein paar Jahren. Damals war sie verzweifelt und in einer finanziellen wie auch persönlichen Notsituation gewesen, heute jedoch sah das anders aus. Sie trug zwar keinen adligen Namen, war aber deswegen nicht weniger wert als Lavinia Callington.
    »Bei allem Respekt, Mylady«, sagte sie leise, aber bestimmt, »Sie können es mir nicht verbieten, meine« – sie zögerte – »Anabell zu sehen. Selbstverständlich habe ich dem Mädchen nicht gesagt, wer ich bin und …«
    »Wenn Sie das tun,

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