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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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wenn …« Er sah Susan freundlich an. »Sie haben bestimmt gehört, dass die Titanic nicht sinken kann? Haben Sie die große Anzahl von Rettungsbooten gesehen? Also, meiner Meinung nach sind zwanzig Boote eine völlig unnötige Maßnahme … ein unsinkbares Schiff mit Rettungsbooten auszustatten. Den Platz hätte man lieber für Liegestühle nutzen sollen, das Deck bietet ohnehin nicht genügend Platz zum Flanieren.«
    Da war Susan nun völlig anderer Meinung, behielt diese jedoch für sich. Bei ihren Überfahrten nach Frankreich hatte sie immer sofort nach dem Standort der Rettungsboote Ausschau gehalten, um, sollte es zu einer Notsituation kommen, auf dem kürzesten Weg zu diesen zu gelangen.
     
    Nach dem Essen zog sich Leonard Kingsley in seine Kabine zurück, er wollte ein paar Briefe schreiben. Susan begab sich an Deck und setzte sich in einen Liegestuhl, auf dem Decken bereitlagen. Da es erst April war, war die Luft noch kühl, aber hier im Ärmelkanal war es recht windstill, und in der Sonne ließ es sich aushalten. Das Schiff passierte die Isle of Wight, in der Ferne erkannte sie einen Schlepper der White Star Line, der auf Innenreede lag und auf ein Schiff wartete, und in der Ferne lagen einige Kriegsschiffe, flankiert von schwarzen Zerstörern, die die Einfahrt von der See her bewachten. Als es dunkelte, erreichten sie Cherbourg in Frankreich, wo die
Titanic
weitere Passagiere an Bord nahm. Zuvor hatte sich Susan zum Abendessen umgekleidet, denn sie und Kingsley wollten in den Speisesaal gehen, sobald das Schiff angelegt hatte, zuerst jedoch betrachteten sie von der Reling aus das Treiben am Kai. In Cherbourg ging es ruhig und besonnen zu, es waren kaum andere Menschen zu sehen als die, die eine Passage auf der
Titanic
gebucht hatten. In Frankreich erregte die Jungfernfahrt dieses Schiffes weit weniger Aufmerksamkeit als in Southampton.
    »Oh, nein, auch das noch!« Neben ihr stöhne Kingsley und deutete auf eine Frau, die mit einem großen, federgeschmückten Hut, der beinahe ihr ganzes Gesicht verdeckte, an Bord ging.
    »Kennen Sie die Dame?«, fragte Susan höflich.
    »Nicht persönlich«, antwortete Kingsley. »Ihr Name und ihr Ruf sind jedoch im ganzen Osten Amerikas bekannt. Es handelt sich um Margaret Tobin Brown, eine sehr eigenwillige Persönlichkeit, die sich für das Wahlrecht der Frauen einsetzt.«
    Susan zuckte unmerklich zusammen. Unwillkürlich dachte sie an die kurze Begegnung mit Emmeline Pankhurst, der ebenfalls der Ruf vorauseilte, eine Frauenrechtlerin zu sein.
    »Ist diese Mrs. Brown Engländerin?«
    Kingsley schüttelte den Kopf.
    »Sie stammt aus einer Stadt in Missouri, wuchs dort in ärmlichen Verhältnissen auf und verdiente bereits in jungen Jahren eigenes Geld, indem sie in einer Tabakfabrik arbeitete. Sie heiratete gut, ihr Mann war leitender Direktor irgendwelcher Minenanlagen. Sie engagiert sich in allen möglichen Gremien, hält ständig irgendwelche Vorträge und bildet sich ein, allein durch ihre Stimme die Rechte der Frauen stärken zu können. Dadurch hat sie eine gewisse Berühmtheit erlangt. Allerdings verließ Mrs. Brown ihren Ehemann vor drei Jahren, ohne sich jedoch scheiden zu lassen.«
    »Sehr interessant«, murmelte Susan, obwohl sie die betreffende Person nicht kannte und an deren Geschichte auch nicht interessiert war.
    »Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Miss Peggy«, fuhr Kingsley fort. »Halten Sie sich von Margaret Brown fern.«
    Susan verzichtete auf eine Antwort. Mit wem sie sprach und mit wem sie sich umgab, war immer noch allein ihre Entscheidung.
    Während des Dinners machte Kingsley Susan auf einige interessante Passagiere aufmerksam. Er deutete auf einen hochgewachsenen, gutaussehenden Mann mittleren Alters mit dunklem Haar.
    »Miss Peggy, diesem Mann haben wir das wundervolle Schiff zu verdanken: Thomas Andrews, der die Titanic konstruiert hat. Direkt neben ihm sitzt Bruce Ismay, der Direktor der White Star Line, der es sich natürlich nicht nehmen lässt, die Jungfernfahrt dieses Schiffes mitzumachen. Sogar von hier aus ist zu erkennen, wie er beinahe platzt vor Stolz.«
    Susan nickte und blickte interessiert auf die beiden Männer. Thomas Andrews war ihr sofort sympathisch, während Ismay auf sie einen etwas verschlagenen Eindruck machte. Das konnte aber auch an seinem mächtigen Schnurrbart und den dunklen, beinahe schon stechenden Augen liegen.
    Zu der Gesellschaft an diesem Tisch gesellte sich nun ein älterer Gentleman mit ergrautem Haar

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