Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
Vom Netzwerk:
schreiben, meine Liebe. Sobald Komplikationen auftreten sollten, dann suchst du Doktor van Roosen auf oder begibst dich in seine Klinik.«
    »Natürlich, Edward.« Lavinia nickte schnell. »Ich werde nichts tun, was die Gesundheit deines Kindes gefährden könnte.«
     
    Sumerhays! Hörbar stieß Lavinia den Atem aus, als die Kutsche um die Kurve fuhr und sie das wuchtige, zweistöckige Torhaus am Ende des Weges sah.
    »Geht es Ihnen nicht gut, Mylady?« Die Zofe Jessy beugte sich besorgt vor und musterte ihre Herrin ängstlich.
    »Alles in Ordnung, Jessy«, beruhigte Lavinia sie. »Ich bin nur glücklich, wieder hier zu sein.«
    Statt des nassen, nebligen Londoner Wetters zeigte sich der Herbst in Cornwall von der besten Seite. Bis Liskeard waren sie mit der Eisenbahn gefahren, dort hatte die Kutsche von Sumerhays sie abgeholt. Als Kutscher fungierte Basil Windle, der Hausmeister, der zugleich auch der Gärtner war. Da Edward regelmäßig geschäftliche Termine wahrnehmen musste, konnte er in London weder auf den Butler noch auf den Kutscher verzichten. Zudem war die Fahrt mit der Eisenbahn wesentlich schneller und komfortabler. In zwei, drei Tagen würde Lavinia die Zofe wieder nach London zurückschicken. Sie würde weiterhin ihr Gehalt bekommen, die Zeit, bis Lavinia in die Stadt zurückkehrte, allerdings bei ihrer Familie verbringen. Das war sehr großzügig von Lavinia, und Edward hatte erst nach längerem Zögern zugestimmt, aber je weniger Leute über Lavinias wahren Zustand Bescheid wussten, desto besser. Lavinia wusste, mit Geld konnte man zwar Schweigen erkaufen, aber gerade junge Mädchen wie Jessy konnten sich unbewusst verplappern. Aus diesem Grund wollte sie die Zofe nicht in ihren abenteuerlichen Plan einweihen.
    Als sich die Kutsche näherte, trat eine untersetzte Frau aus dem Pförtnerhaus. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab, knickste und öffnete dann rasch das zweiflügelige Tor.
    »Willkommen daheim, Viscountess«, rief die Frau, und Lavinia nickte ihr aus dem Fenster wohlwollend zu.
    Der Wagen fuhr die eine Meile lange, gewundene Auffahrt zum Haus entlang. Der Weg war gesäumt von dichten Hecken, an denen sich trotz des nahenden Winters kaum ein Blatt verfärbt hatte. Lavinia, die das Kutschenfenster geöffnet hatte, atmete tief die würzige Luft ein, in der ein Hauch Salz vom nahen Meer lag. Obwohl sie die Oper, das Theater und glanzvolle Empfänge liebte, war sie glücklich, wieder in Cornwall zu sein. Wenn sie wollte, konnte sie auch hier so manchen Vergnügungen nachgehen. So war zum Beispiel die Stadt Plymouth, in der es neben zahlreichen Vergnügungen auch ein ganz hervorragendes Theater gab, nicht weit entfernt, doch Lavinia stand nicht der Sinn nach Ausgehen und Partys. Sie hoffte, Susan Hexton hatte sich an alle ihre Anweisungen gehalten und würde im Laufe der Woche ebenfalls in Cornwall eintreffen. In den letzten Tagen hatte Lavinia sich ständig Gedanken gemacht, wie sie die kommende Zeit am besten arrangieren sollte. Sie wusste, die Windles und die Nankerris standen auf ihrer Seite, ihnen konnte sie vorbehaltlos vertrauen, und die Nachbarn musste sie sich irgendwie vom Leib halten. Keiner durfte mehr als nötig von ihrem Plan erfahren, denn sonst würde sie nicht nur Edward verlieren, sondern auch mit einem Fuß im Gefängnis stehen.
    Lavinias Gedanken wurden unterbrochen, als die Kutsche vor dem Portal hielt. Sumerhays war ein altes, dreistöckiges Haus. Das ursprüngliche Hauptgebäude war gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts erbaut worden, von damals standen jedoch nur noch die Grundmauern. Generationen von Callingtons hatten an dem Haus stets um- und angebaut, so dass daraus ein Wirrwarr von verschiedenen Stilrichtungen entstanden war. Dies störte jedoch nicht, im Gegenteil – es verlieh Sumerhays einen ganz eigenen Charme. Die tiefstehende Sonne spiegelte sich in den blankgeputzten Fensterscheiben, und Mrs. Windle wartete auf der obersten Stufe der Treppe, die zum Haupteingang hinaufführte. Basil Windle half Lavinia beim Aussteigen, und seine Frau knickste und wiederholte die Worte der Pförtnersfrau: »Willkommen zu Hause, Mylady. Ich hoffe, ich habe alles zu Ihrer Zufriedenheit vorbereitet.«
    Lavinia schenkte ihr ein dankbares Lächeln.
    »Da bin ich sicher, Mrs. Windle. Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, wie kurzfristig die Mitteilung über meinen Besuch kam. Ich hoffe, Sie haben nicht alle Räumlichkeiten von oben bis unten geputzt.« Am leichten

Weitere Kostenlose Bücher