Das Lied der Luege
von ihr, bei dem Gespräch mit Sebastian dabei zu sein. Entgegen seiner ersten Idee, Lavinia einen Brief an Eathorne zu diktieren, fand er es wohl besser, wenn dieser es persönlich aus Lavinias Mund erfuhr, dass ihre
kleine
Affäre, wie Edward Lavinias glücklichste Zeit ihres Lebens nannte, ein für alle Mal beendet war. Nie würde Lavinia das Gesicht des geliebten Mannes vergessen, als sie und Edward plötzlich vor seiner Tür standen. Sebastian konnte nicht anders, als beide hereinzubitten. Edward lehnte einen Drink ab, sah sich mit einem verächtlichen Blick in der kleinen, niedrigen Halle um und kam dann gleich zur Sache.
»Bevor Sie Fragen stellen, Eathorne«, begann Edward, »müssen Sie wissen, dass ich über Sie und meine Frau Bescheid weiß.« Edward hob die Hand, als Sebastian ihn unterbrechen wollte. »Ich bin nicht gekommen, um irgendwelche Entschuldigungen zu hören oder Sie gar zu fordern. Die Zeiten der Duelle sind glücklicherweise vorbei. Nein,
wir
sind gekommen, weil meine Frau Ihnen etwas zu sagen hat.«
Mit bleichem und starrem Gesicht hörte Sebastian Lavinias Worte an. Sie hatte keine andere Wahl, als ihm zu sagen, dass sie ihn bitte, die Grafschaft zu verlassen und nie wieder mit ihr in Kontakt zu treten. Edward hatte ihr jedes einzelne Wort eingebleut.
»Du wirst erkennen, dass es so das Beste für uns alle ist.« Verzweifelt suchte Lavinia Sebastians Blick, wollte ihm mit ihren Augen signalisieren, dass nichts von dem, was sie sagte, der Wahrheit entsprach, doch er wich ihrem Blick aus. »Ich habe eingesehen, dass ich zu meiner Familie gehöre«, vollendete Lavinia den Satz, und ihr Herz zerriss dabei. »Das mit uns … es war nett … hatte jedoch nichts zu bedeuten. Ich habe mich einsam gefühlt, doch ab jetzt werde ich regelmäßig in London bei meinem Mann sein. Dort, wo ich hingehöre … an die Seite meines Mannes …«
Edward ergriff ihren Arm und führte sie hinaus, bevor Lavinia in Tränen ausgebrochen war. Sebastian hatte kein Wort gesagt. Unter dem Türsturz drehte Lavinia kurz den Kopf zu ihm und erschrak. Binnen weniger Minuten schien Sebastian um Jahre gealtert. Ihre Lippen formten die Worte »Ich schreibe dir, Liebster«, und ihre Augen sahen ihn flehentlich an, doch Sebastian nahm es überhaupt nicht wahr.
Gleich am nächsten Tag schrieb Lavinia einen ausführlichen Brief, in dem sie versuchte, Sebastian alles zu erklären, auch, dass sie von Edward zu diesem Schritt gezwungen worden war. Wenn ihr Ehemann wieder nach London reiste, würden sie sich wieder treffen können. Lavinia vertraute das Schreiben Mrs. Windle an, die versprach, unverzüglich einen zuverlässigen Jungen nach Lostwithiel zu schicken.
Lavinia erhielt nie eine Antwort auf ihren Brief, erfuhr allerdings, dass Sebastian Eathorne zwei Tage nach ihrem Gespräch Cornwall verlassen hatte. Er hatte niemandem gesagt, wohin er wollte, und würde wohl nie zurückkommen, denn ein Makler hatte den Auftrag erhalten, Ladbrooke House zu verkaufen.
»Ich bin selbst schuld«, wiederholte Lavinia und schwankte zurück ins Bett. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und wiegte sich wie ein kleines Kind vor und zurück. Heute wusste sie, dass sie Sebastians Drängen, ihren Mann zu verlassen, hätte nachgeben sollen. Irgendwie wäre es ihr gelungen, das Sorgerecht für Anabell zu bekommen. Man konnte alles erreichen, wenn man es nur ernsthaft wollte. Nun war es zu spät. Wahrscheinlich würde sie niemals erfahren, wohin Sebastian gegangen war, und ihn niemals wiedersehen.
30. Kapitel
D ie Schlacht auf der türkischen Halbinsel Gallipoli im Sommer des Jahres 1915 war die bisher schrecklichste und verlustreichste für die britische Armee seit Beginn des Krieges.
Dardanellenschlacht
wurden die Gefechte von den Zeitungen betitelt. Die Seiten waren voll von negativer Berichterstattung, und die Verlustlisten wurden immer länger. Doro entdeckte den Namen ihres einstigen Kollegen am
Blue Horizon
, Marty Galland, und Susan schickte seiner Frau eine Beileidskarte. Es fiel ihr jedoch schwer, die richtigen Worte zu finden, und sie hoffte, in diesem Krieg nicht noch mehr Bekannte zu verlieren.
An einem heißen Tag Ende Juli trat eine Frau auf Susan zu, als sie am Morgen das Haus verließ, um zur Arbeit zu gehen. Sie hatte offenbar auf Susan gewartet und sprach sie nun zögernd an.
»Susan? Ich meine, Mrs. Hexton … wobei … es ist schwer, Sie mit diesem Namen anzusprechen … Sie verstehen?«
Obwohl Jahre
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