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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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sein, Lavinias Angebot anzunehmen, denn wie hättest du zwei Kinder durchbringen sollen? Heute jedoch solltest du zusehen, deinen Fehler von damals zu korrigieren.«
    »Wie soll ich das bewerkstelligen?«
    Daniel legte einen Finger auf seine Nasenspitze und zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne. Nach einer Weile sagte er: »Ich erinnere mich, dass mein Vater vor einigen Jahren einen ähnlichen Fall hatte. Eine vermögende Frau konnte keine Kinder bekommen, darum bat sie ihr Dienstmädchen, sich von ihrem Mann schwängern zu lassen, um dann das Kind als ihr eigenes anzunehmen. Als das Baby dann jedoch geboren war, wollte die Angestellte es nicht mehr hergeben. Es gab einen großen Skandal, denn das Mädchen ging vor Gericht, und die ganze Ostküste sprach monatelang davon.«
    »Wie ging die Sache aus?« Susan wartete gespannt auf seine Antwort, Daniel schüttelte jedoch den Kopf.
    »Ich weiß es nicht mehr. Es ist lange her, ich hatte damals gerade mit meinem Studium begonnen, ich meine aber, dass das Dienstmädchen ihr Kind behalten durfte. Ich werde aber gleich morgen meinem Vater kabeln und nachfragen.«
    Susan versuchte, die aufkommende Hoffnung zu unterdrücken. Der von Daniel geschilderte Fall lag nicht nur lange zurück, sondern er geschah auch in Amerika, in dem völlig andere Gesetze herrschten. Außerdem …
    »Es gibt keinen Beweis, dass Anabell meine Tochter ist«, sagte sie leise. »Lady Lavinia wird es niemals zugeben, im Gegenteil, sie wird eher versuchen, mich für irrsinnig zu erklären.«
    »Was ist mit dieser Haushälterin?«, hakte Daniel nach. »Du sagtest, sie arbeitet immer noch im Herrenhaus.«
    Susan zuckte mit einem Seufzer die Schultern.
    »Mrs. Windle ist von den Callingtons abhängig und Lavinia treu ergeben. Die Frau würde niemals die Wahrheit sagen, und die Nankerris, auf deren Farm ich damals wohnte, haben das Land längst verlassen. Selbst wenn wir Caja, die Hebamme, finden sollten, würde auch diese schweigen, denn sie würde für Lavinia eher ihr Leben geben, als diese zu verraten.«
    »Ich gebe zu, es wird ein schwieriger Fall werden.«
    »Was soll das heißen?« Susan war völlig verwirrt. Daniels Gesichtsausdruck wirkte nun sehr geschäftig, und er schien nachzudenken. Obwohl er nackt war und die Bettdecke nur seinen Unterleib bedeckte, wirkte er wie ein Anwalt, der gleich eine wichtige Verhandlung zu führen hatte. Es fehlte nur noch die grau gepuderte Perücke. Über diese Vorstellung begann Susan zu lachen, obwohl ihre Situation alles andere als lustig war.
    »Worüber lachst du?«, fragte Daniel prompt.
    Susan sagte es ihm, wurde dann aber wieder ernst und fügte hinzu: »Heißt das, du willst mir helfen, Anabell zu bekommen? Du verachtest mich nicht oder hasst mich nicht wegen dem, was ich getan habe?«
    »Ach, du Dummerchen.« Daniel gab ihr einen zärtlichen Nasenstüber. »Was geschehen ist, ist geschehen, daran gibt es nichts mehr zu ändern. Jetzt müssen wir versuchen, das Beste aus der Sache zu machen.«
    Von seinen Worten klang das
wir
am stärksten in Susan nach. Ihr ganzes Leben war sie gewohnt, selbst für sich verantwortlich zu sein. Als sie sich auf Paul verlassen hatte, war es schiefgegangen, und später hatte Susan immer nur allein gegen alle Widrigkeiten gekämpft. Das Gefühl, nun nicht mehr allein zu sein, breitete sich wie warmer Wein in ihrem Körper aus und befreite ihre Gedanken.
    »Ich habe dich gar nicht verdient, Daniel Draycott«, sagte sie leise.
     
    Daniels Erinnerung war richtig gewesen. In dem Fall, den sein Vater vor einigen Jahren vor einem Gericht in Boston vertreten hatte, wurde dem Dienstmädchen das Recht auf ihr Kind zugesprochen, obwohl auch diese eine größere Summe Geldes für ihr Baby erhalten hatte. Tagelang war Susan hin- und hergerissen. Der Skandal, wenn sie an die Öffentlichkeit ging und sagte, dass Anabell ihre Tochter war, würde unbeschreiblich sein. Wenn jedoch eine Chance bestand, Anabell zu sich zu holen, dann wollte sie es wagen. Nach wie vor hatte sie allerdings keine Beweise.
    »Wem, denkst du, schenkt ein Richter mehr Glauben?«, gab sie zu bedenken. »Mir, einer Frau aus der untersten Schicht, einer Schauspielerin mit zweifelhaftem Ruf und schließlich einer Suffragette, die inhaftiert war? Oder einem Viscount, dessen Familie seit Jahrhunderten zu den Ersten des Landes gehört und dessen Wort im Oberhaus großes Gewicht hat. Lord Callington hat zu jedem dort Beziehungen, und wo er diese nicht

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