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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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Oberschicht an, sondern wie eine Frau ihresgleichen, und mit solchen Personen konnte sie umgehen.
    »Nun, Sie sind nichts anderes als eine Hure.« Susan schnappte nach Luft, doch bevor sie sich wehren konnte, fuhr Lavinia fort: »Zwischenzeitlich zweifle ich, ob meine Idee überhaupt richtig war. Ich weiß nichts über den Erzeuger Ihres Kindes. Wahrscheinlich war es ein ebenso zwielichtiger Bursche wie Sie selbst. Es heißt ja, dass sich Charaktereigenschaften von den Eltern auf die Kinder übertragen.«
    »Nun machen Sie aber mal einen Punkt!« Susan konnte sich nicht länger beherrschen. Ihre Augen funkelten zornig, und sie sah keinen Grund, ihre Stimme zu senken. »Ich gebe zu, Fehler gemacht zu haben, und für diese habe ich mich mehrmals entschuldigt. Auch wenn Sie eine Lady sind, gibt Ihnen das noch lange nicht das Recht, mich zu beleidigen! Am Tag unserer ersten Begegnung haben Sie gewusst, aus welcher Gesellschaftsschicht ich komme, trotzdem haben Sie mir das Angebot gemacht, mein Kind als das Ihre aufzuziehen. Ich habe mich niemals mit Männern herumgetrieben, sondern bin seit mehreren Jahren verheiratet. Mein Mann und ich haben uns getrennt, darum kann ich für das Kind nicht sorgen.«
    Susan verschwieg Pauls Gefängnisstrafe und dass das Kind von ihrem Vermieter gezeugt wurde, dem sie sich hatte hingeben müssen, um nicht das Dach über dem Kopf zu verlieren. Sie glaubte nicht, dass der Charakter eines Menschen durch seine Eltern vorgegeben war, sondern dass dieser durch das soziale Umfeld, in dem das Kind lebte und aufwuchs, geprägt wurde.
    In Lavinias Gesicht zeigte sich keine Regung, ihre Augen musterten Susan kühl, als sie antwortete: »Nun, wir sitzen im selben Boot und können nichts mehr ändern. Darum müssen wir versuchen, das Beste daraus zu machen.«
    »Irrtum, Mylady!« Susan lachte bitter. »
Ich
kann jederzeit gehen und auf Ihr Geld pfeifen, mein Kind bekommen, und da ich einen Ehemann habe, würde mir das auch keine Probleme bereiten, zumal in meiner Klasse es nicht unüblich ist, eine alleinerziehende Mutter zu sein. Sie jedoch« – Susan deutete mit dem Zeigefinger auf Lavinia – »sitzen in der Klemme, wenn ich gehe. Was wollen Sie Ihrem Mann und Ihrer Schwiegermutter erzählen, wenn es in drei Monaten plötzlich kein Kind mehr gibt? Gut, Sie können sagen, eine Fehlgeburt erlitten zu haben. Caja Nankerris wird Sie dabei unterstützen, aber damit ist das Problem, den Stammbaum der Familie fortzuführen, nicht gelöst. Im Gegenteil – die Tatsache, dass Sie nicht in der Lage waren, ein Kind auszutragen, wird Ihren Mann eher gegen Sie einnehmen, und ruck, zuck sitzen Sie auf der Straße.«
    Das Zucken eines Augenlides war die einzige Reaktion, die verriet, wie betroffen Lavinia über Susans Worte war. Verflixt, das Luder hat recht, dachte sie. Sie stand auf und ging zur Tür.
    »Ich will das Kind, und Sie wollen das Geld«, sagte sie kühl. »Jetzt haben wir die Sache so lange gemeinsam betrieben, dass wir es zu Ende bringen werden. Danach werden sich unsere Wege trennen, und ich hoffe, Ihnen niemals wieder zu begegnen.«
    »Das ist ganz in meinem Interesse«, gab Susan betont schnippisch zurück, um sich nicht anmerken zu lassen, wie verletzt sie über Lavinias Verhalten war. Dass sie nie Freundinnen werden würden, war Susan von Anfang an klar, dass Lavinia jedoch so schlecht von ihr dachte, traf Susan mehr, als sie gedacht hatte. »Also, wann kann ich Ihre
Gastfreundschaft
verlassen und auf die Farm zurückkehren?«
    »Sie bleiben hier.«
    »Das werde ich nicht!« Mit vor der Brust verschränkten Armen stellte Susan sich Lavinia in den Weg. »Ich schreie das ganze Haus zusammen!«
    Lavinia lächelte, aber es war ein kaltes Lächeln, als sie erwiderte: »Das nützt Ihnen nichts, denn jeder hier auf Sumerhays weiß Bescheid.«
    Susan lief ein kalter Schauer über den Rücken, obwohl das Zimmer gut beheizt war.
    »Sie meinen es also ernst – Sie wollen mich hier tatsächlich gefangen halten, bis das Kind geboren ist!«
    »Endlich scheinen Sie zu verstehen, meine Liebe. Was wollen Sie denn? Es fehlt Ihnen an nichts. Im Gegenteil, ich glaube, so gutes und reichhaltiges Essen wie hier haben Sie nie zuvor bekommen.«
    Susan fühlte, wie Panik in ihr aufstieg. »Aber … ich meine … ich muss auch mal raus. Ich werde wahnsinnig, wenn ich in diesem Zimmer bleiben muss. Das ist wohl wenig förderlich für die Gesundheit des Kindes.«
    »Das, meine Liebe« – Lavinias Blick bekam

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