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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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jetzt nahm sie wahr, dass sie sich in einem zwar kleinen, spärlich möblierten Dachzimmer befand, der Raum sich jedoch unmöglich auf der Park Farm befinden konnte. Die Bettwäsche war schneeweiß, weich und duftete nach Veilchen. Eine Ahnung durchfuhr Susan.
    »Wo bin ich eigentlich?«, fragte sie.
    »Auf Sumerhays«, antwortete Caja. »Und hier werden Sie auch bleiben, bis Sie Ihre Abmachung gegenüber Mylady erfüllt haben.«
    »Sie können mich hier doch nicht einsperren!«, rief Susan, aber weder Lavinia noch Caja reagierten auf ihren Protest. Die beiden Frauen verließen ohne ein weiteres Wort das Zimmer, und Susan hörte deutlich, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Obwohl ihr Kopf furchtbar schmerzte, richtete sie sich auf und schwang die Beine aus dem Bett. Der Schwindel war unbeschreiblich, aber nach einiger Zeit wurde es besser. Vorsichtig tappte sie zur Tür und drehte am Knauf – sie hatte sich nicht getäuscht, man hatte sie tatsächlich eingeschlossen. Susan sah sich um und runzelte ärgerlich die Stirn. Eine zweite Tür gab es nicht, und das Gaubenfenster war so schmal, dass sie selbst ohne ihren dicken Bauch nicht hindurchgepasst hätte. Trotzdem zog Susan einen Stuhl unter das Fenster, kletterte hinauf und konnte so hinaussehen. Auch wenn es ihr gelänge, auf diesem Weg das Zimmer zu verlassen – sie befand sich im dritten oder vierten Stock und konnte ja schlecht an der Fassade hinunterklettern. Offensichtlich hatte man sie in einem der Dienstbotenzimmer untergebracht. Zähneknirschend und erschöpft legte Susan sich wieder hin. Bis zur Geburt waren es noch acht oder zehn Wochen. Auf keinen Fall wollte sie sich so lange einsperren lassen! Gut, sie hatte mit Stephen Polkinghorn einen Fehler gemacht und hätte auch niemals in sein Automobil steigen dürfen, doch es war weder ihr noch dem Kind etwas geschehen. Zwar hatte sie mit Lavinia eine Abmachung, diese gab der Lady aber noch lange nicht das Recht, sie wie eine Gefangene zu behandeln. Allerdings wusste Susan nicht, was sie dagegen tun konnte. Nun, die nächsten Tage würde sie ohnehin im Bett bleiben müssen, denn ihr Körper war grün und blau und ihr linkes Handgelenk aufgrund der Verletzung nicht zu gebrauchen. Wenn sie erst wieder ganz gesund war, würde sie einen Ausweg finden.
     
    Die nächsten Tage war Susan über ihre
Gefangenschaft
sogar dankbar, denn jede Bewegung bereitete ihr Schmerzen. Ihr Kopf fühlte sich an, als würden Zahnräder darin rotieren, das verstauchte Handgelenk konnte sie nicht belasten, und die Prellungen an ihrem Körper wandelten sich in grün-violette Blutergüsse, die bei jeder Bewegung schmerzten. Susan erschien es wie ein Wunder, dass bei dem Unfall dem Kind nichts geschehen war. Caja untersuchte sie täglich – meistens kam die Hebamme in den Abendstunden nach Sumerhays –, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches feststellen. Susan wusste, dass sie bei eventuellen Komplikationen keinen Arzt würden holen können, denn ihre Anwesenheit musste ja geheim bleiben. Mrs. Windle, die Haushälterin, brachte Susan das Essen, war aber mürrisch und wortkarg. Susan vermutete, dass die ältere Frau ebenfalls in Lavinias Plan eingeweiht war. Lavinia selbst sah Susan über eine Woche nicht. Obwohl sie auch tagsüber viel schlief, um die Verletzungen auszukurieren, vergingen die Stunden quälend langsam. Hatte sie schon auf der Farm unter Langeweile gelitten, erschien ihr nun die Zeit unendlich. Als sich Lavinia endlich bequemte, sie eines Abends aufzusuchen, fuhr Susan sie barsch an: »Wie lange wollen Sie mich hier noch gefangen halten? Ich bin fast wieder gesund, dem Baby geht es auch gut, also kann ich wieder in das Cottage ziehen.«
    »Das kommt nicht in Frage.« Lavinias Blick war herablassend. »Sie und ich – wir haben eine Vereinbarung, bei der ich bisher meinen Anteil mehr als erfüllt habe. Ich habe Ihnen tausend Pfund versprochen, habe Ihnen zusätzlich eine gemütliche Unterkunft verschafft und auch immer wieder Geld zugesteckt. Wie haben Sie mir das gedankt? Indem Sie sich mit Männern herumtrieben und verantwortungslos das Leben des Kindes aufs Spiel gesetzt haben.« Lavinia schüttelte den Kopf, ihre Lippen wurden zu einem schmalen Strich, als sie zischte: »Eigentlich hätte ich es mir bei einer Frau wie Ihnen denken können.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Nur mühsam beherrschte sich Susan, ihre Stimme klang jedoch gefährlich leise. Plötzlich sah sie Lavinia nicht mehr als Lady der

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