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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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Zug von Liskeard aus.«
    Stephens Augen verengten sich zu Schlitzen.
    »Sie lügen, Mylady«, sagte er unverblümt. »Susan hat keine Familie mehr, sie steht allein auf der Welt. Aus diesem Grund haben Sie sie doch nach Cornwall eingeladen und ihr das Cottage auf der Park Farm zur Verfügung gestellt, nicht wahr?«
    Lavinia spürte, wie Wut in ihr hochstieg.
    »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, Polkinghorn. Unsere Familien verkehren nicht miteinander, so, wie keine anständige cornische Familie Sie in ihrem Haus empfängt. Daher bitte ich Sie, mein Haus sofort zu verlassen. Oder soll ich erst nach meinem Diener rufen, der Sie an die Luft setzt?«
    Stephen hob abwehrend die Hände und lächelte spöttisch.
    »Keine Sorge, ich gehe ja schon, wobei ich vor dem alten Windle keine Angst habe. Soviel ich weiß, sind er und seine Frau ohnehin heute Vormittag mit dem Wagen fortgefahren. Somit sind Sie, liebe Lady Lavinia, allein im Haus.«
    Lavinia erschrak und konnte dies auch nicht verbergen.
    »Was wollen Sie?«
    Er zuckte lächelnd mit den Schultern.
    »Susan besuchen.«
    »Sie ist nicht hier.« Lavinia hoffte, er würde nicht bemerken, dass ihre Stimme zitterte, und glücklicherweise wandte Stephen sich zur Tür.
    »Ich glaube Ihnen zwar kein Wort, meine Liebe, trotzdem bin ich, allen Gerüchten zum Trotz, ein Gentleman. Und als solcher werde ich nicht in Ihr Haus eindringen und es vom Dach bis zum Keller durchsuchen, obwohl Sie mich nicht daran hindern könnten, wenn ich es ernsthaft wollte. Richten Sie Susan bitte aus, dass ich nach ihr gefragt habe und dass sie sich bei mir melden soll, damit ich mich persönlich bei ihr entschuldigen kann.«
    Lavinia nickte nur und öffnete die Tür, in der Hoffnung, Stephen würde jetzt endlich gehen. Als das Licht des hellen Nachmittags auf Lavinia fiel, musterte Stephen sie von oben bis unten. Sein Blick blieb an ihrer Körpermitte hängen, und er runzelte die Stirn.
    »Für Ihren fortgeschrittenen Zustand sind Sie noch bemerkenswert schlank.«
    Seine Worte waren wie ein Schlag in Lavinias Gesicht. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie heute ihr Korsett nicht mit Kissen ausgestopft hatte, da sie allein im Haus war und auch keinen Besuch erwartet hatte. Sie verschränkte die Arme vor ihrem Körper und starrte Stephen erschrocken an.
    »Gehen Sie jetzt bitte.«
    Stephen tippte sich spöttisch grüßend an die Stirn und wandte sich ab. Während er die Stufen hinabging, drehte er sich noch mal um und rief: »Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, aber ich werde es herausfinden. Und ich werde Susan finden. Verlassen Sie sich darauf, Lady Lavinia.«
     
    Selbstverständlich erzählte Lavinia Susan nichts von Stephens Besuch, auch nicht Caja oder den Windles. Der Schreck saß ihr in den Gliedern. Wie hatte es ihr nur passieren können, dass sie einfach so die Tür geöffnet hatte, ohne daran zu denken, ihren Körper entsprechend zu präparieren? Auf der anderen Seite – was ging es Stephen Polkinghorn an, wie sie aussah? Seine und ihre Familie hatten keinen Kontakt, ebenso wenig wie die meisten Nachbarn von Sumerhays. Polkinghorn war aufgrund seiner leichtlebigen Art und seiner vielen Affären nicht gesellschaftsfähig. Da nutzte es auch nichts, dass er sehr vermögend war – sogar mit viel Geld konnte man sich nicht in die feine Gesellschaft einkaufen. Zudem gab es Gerüchte, den Großteil seines Vermögens hätte er den Londoner Spieltischen zu verdanken, wobei er nicht immer ehrlich zu sein schien. Zugegeben, die Zinnmine, die sich auf Polkinghorns Besitz befand, war eine der rentabelsten in Ostcornwall, während weiter im Westen immer mehr Minen schließen mussten, weil sie keinen Ertrag mehr brachten. Trotzdem verkehrte kaum jemand mit Stephen, und Lavinia hoffte, dass niemand seinem Gerede, das er vielleicht über sie verbreiten würde, Glauben schenkte.
    Worauf hatte sie sich nur eingelassen? Nicht zum ersten Mal zweifelte Lavinia an ihrem Plan. Sie hatte nicht nur zugelassen, sondern sogar veranlasst, dass der Mann ihrer Schwiegermutter schwer verletzt wurde, spielte vor den Nachbarn eine Rolle und musste jetzt noch dafür sorgen, dass niemand von Susans Anwesenheit auf Sumerhays erfuhr. Lavinia ballte die Hände zu Fäusten und hoffte, die nächsten Wochen mögen schnell vergehen, damit dieses Theater ein Ende hatte.
     
    Da ihre Verletzungen weitgehend abgeheilt waren – lediglich das verstauchte Handgelenk bereitete ihr noch länger Probleme –, verschlang

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