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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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zuckte mit den Schultern. »Nun, mir soll’s egal sein, was du machst, wir beide sind miteinander fertig, aber Jimmy bleibt bei mir.«
    »Warum?« Susan runzelte die Stirn. »Was willst du mit dem Jungen anfangen? Ihn in deine kriminellen Machenschaften mit reinziehen, damit er ein ebensolcher Verbrecher wie sein Vater wird?«
    Paul trat einen Schritt auf Susan zu, und für einen Moment befürchtete sie, er würde sie schlagen, doch Paul beherrschte sich. Seine Augen funkelten vor Zorn, als er zischte: »Du hast von dem Geld, das ich verdiente, immer gut gelebt. Es geht dich zwar nichts mehr an, aber mit den krummen Touren ist es vorbei. Ich habe eine ehrliche Arbeit in Aussicht und wollte Rose heiraten, damit Jimmy wieder eine Mutter hat. Bis eben dachte ich ja, ich wäre Witwer. Nun, jetzt müssen wir uns halt scheiden lassen, wenn‘s nicht zu teuer wird.«
    »Du willst dich scheiden lassen?« Die Nachricht überraschte Susan, obwohl ihr an ihrer Ehe nichts mehr lag. »Von mir aus, ich bin froh, wenn ich dich los bin. Mein Kind gehört jedoch zu mir.«
    Paul kratzte sich am Haaransatz und schüttelte den Kopf.
    »Red keinen Quatsch, meine Liebe. Du hast ohne ein Wort nicht nur mich, sondern auch deinen Sohn verlassen. Kenne mich mit den Gesetzen nicht aus, hab aber davon gehört, dass eine Frau, die ihr Kind verlässt, das nicht wieder zurückbekommt.« Er trat zur Seite und gab die Tür frei. »Und jetzt verschwinde! Wo kann ich dich wegen der Scheidung erreichen? Bei welchem Liebhaber biste denn untergekrochen?«
    »Du kannst mich mal, aber kreuzweise!« Susan vergaß, wie sie sich in den letzten Monaten bemüht hatte, ihren Gassenjargon abzulegen. Paul quittierte ihre Worte mit einem lauten Lachen.
    »Ah, jetzt biste wieder die Susan, die ich kenne. Du bleibst eine Frau aus der Unterklasse, Susan Hexton, da kannste noch so teure Kleider tragen und einen auf feine Dame machen. Wenn man von unten kommt, bleibt man sein Leben lang dort.«
    Ich nicht, dachte Susan, ich werde es schaffen, diesem Sumpf zu entfliehen. Für sich und für Jimmy wollte sie wie eine Löwin für ein besseres Leben kämpfen, aber sie sah ein, dass sie im Moment nichts erreichen konnte. Während sie an Paul vorbeiging, funkelte sie ihn wütend an.
    »Wir sind noch nicht miteinander fertig. Ich bekomme Jimmy, und wenn ich die besten Anwälte Londons bemühen muss. Du wirst schon sehen!«
    Paul lächelte nur spöttisch und schloss dann die Tür hinter Susan. Auf der Straße sah sie sich suchend nach Rose und Jimmy um, aber von beiden war keine Spur zu entdecken. Sie verzichtete auf eine Mietdroschke, die es in dieser Gegend ohnehin nicht gab, und ging bis zur nächsten U-Bahn-Haltestelle zu Fuß. Der flotte Gang und die frische Luft taten ihr gut. Sie wusste nun, was sie zu tun hatte.
     
    »Das ist nicht Ihr Ernst!« Mit vor Erregung geröteten Wangen beugte Susan sich vor und starrte den Anwalt an.
    »Ich habe Ihnen gleich gesagt, dass die Sache schlecht für Sie aussieht«, wandte Ernest Hornsby schüchtern ein.
    Susan beachtete den jungen Gehilfen nicht, ihre Aufmerksamkeit galt seinem Vorgesetzten, Mr. Adam Chatham, einem älteren, vertrauenswürdig wirkenden Herrn mit grauen Schläfen und verständnisvollem Blick. Nachdem sie Paul verlassen hatte, war sie direkt in die Kanzlei, in der ihr junger Mitbewohner Hornsby arbeitete, geeilt und hatte darauf bestanden, mit dem Anwalt zu sprechen. Sie hatte ihm ihren Fall geschildert, ungeachtet, welches Licht die Sache auf sie selbst warf, da sie zuvor geschwindelt hatte, was Paul Hexton anging. Allerdings verschwieg Susan den Grund ihres Verschwindens und erwähnte weder Lavinia Callington, noch, dass sie ein Kind geboren und dieses fortgegeben hatte.
    »Man kann mir doch nicht einfach mein Kind wegnehmen! Sie hätten diese Wohnung, vielmehr das Loch, in dem mein Sohn lebt, sehen sollen, Mr. Chatham. Es starrt vor Dreck, Jimmys Kleidung ist seit Wochen nicht mehr gewaschen worden, und mein Mann wird früher oder später wieder im Zuchthaus oder gar am Galgen landen.«
    Adam Chatham zuckte bedauernd mit den Schultern und klopfte auf ein Buch, in dem er zuvor in den zuständigen Paragraphen nachgelesen hatte.
    »Es tut mir leid, Mrs. Hexton, Ihnen keine positive Antwort geben zu können, aber das Gesetz ist auf der Seite Ihres Ehemannes. Sie haben nicht nur ihn, sondern auch Ihr Kind, ohne sich in einer Notsituation zu befinden, von einer Stunde auf die andere verlassen, und damit Ihren Sohn

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