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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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Susan einer der schönsten Tage in ihrem Leben. Theodor Murphy hatte ein wunderbares Stück auf die Bühne gebracht, und das Publikum war begeistert. Auch wenn die Handlung nicht sehr anspruchsvoll war, so waren alle Vorstellungen zwei Wochen im Voraus ausverkauft. Dank Theos unermüdlicher Geduld bei den Proben brachte Susan ihre Szenen mit lauter, klarer Stimme und ohne einen einzigen Texthänger auf die Bühne. Hatte sie bislang gezweifelt, ob die Schauspielerei wirklich das Richtige für sie war, so wusste sie an diesem Abend, dass sie nichts anderes tun wollte. Obgleich ihre Rollen noch klein und unbedeutend waren und sie niemals wie Sarah Bernhardt brillieren würde, konnte sie sich ein Leben ohne Theaterluft nicht mehr vorstellen.
    Nach der Vorstellung lud Theo das ganze Ensemble zu einem Umtrunk in ein Lokal ein, um dort die Premiere zu feiern. Theo geizte nicht, der Champagner floss in Strömen, es wurde getanzt und gelacht, und jeder beglückwünschte jeden zu der gelungenen Vorstellung. Nie zuvor hatte Susan sich derart amüsiert. Sie wechselte die Tänzer, flirtete mit dem einen oder anderen, zu mehr ließ sie sich jedoch nicht hinreißen. Der Morgen dämmerte bereits, und die ersten Vögel zwitscherten in den Bäumen, als sie, Doro, Joan und Hetty das Lokal verließen.
    »Gut, dass wir heute Abend freihaben«, sagte Joan und gähnte herzhaft. »Ich glaube, ich werde den ganzen Tag schlafen.«
    »Ich bin viel zu aufgeregt, um schlafen zu können.« Susan fühlte sich immer noch wie berauscht, aber nicht nur vom Champagner, sondern von der Erkenntnis, dass sie endlich ihren Weg in ein neues Leben gefunden hatte.
    Doro drohte ihr spielerisch mit dem Finger.
    »Glaube jetzt ja nicht, dass wir nach jeder Vorstellung ein solches Fest feiern. Das macht Theo nur nach der Premiere und auch nur, wenn er mit dieser vollkommen zufrieden war. Ihr werdet euch nicht auf euren Lorbeeren ausruhen können, denn Theo erwartet, dass jede Vorstellung die vorhergehende übertrifft. Und in zwei Monaten beginnen die Proben für das Singspiel. Die werden um ein Vielfaches härter werden als das, was ihr bisher geleistet habt.«
    »Du alte Unke.« Lachend schloss Hetty Doro in die Arme. »Wir wissen, was Theo von uns erwartet, und wir wissen auch, was wir an ihm haben. Keine Sorge, wir werden unser Bestes geben, aber heute dürfen wir einmal so richtig ausgelassen sein, nicht wahr?«
    Eingehakt schlenderten die vier Frauen durch die erwachenden Straßen. Plötzlich trat ihnen ein Mann in den Weg. Susan erkannte ihn sofort.
    »Stephen! Was machst du denn hier?«
    Stephen Polkinghorn zog seinen Hut und deutete eine Verbeugung an.
    »Ich habe dich auf der Bühne gesehen, Susan.« Sein Blick hielt sie fest. »Leider konnte ich an eurer kleinen Feier nicht teilnehmen, da waren nur geladene Gäste zugelassen. Du bist also Schauspielerin geworden.«
    »Na und? Hast du etwa was dagegen?« Susan wusste, sie hörte sich schnippisch an, aber sie hatte nicht geglaubt, Stephen jemals wiederzusehen.
    »Keinesfalls, es ist dein Leben.« Stephens Blick wanderte zu den anderen Frauen. »Möchtest du mich nicht deinen Freundinnen vorstellen?«
    Susan tat wie geheißen. Ihr entging nicht der Blick, den Hetty Stephen zuwarf, als dieser deren Hand nahm und einen Kuss andeutete. Hetty hatte keinen Freund und war auch kein Mädchen, das leichtfertig flirtete, obwohl sie mit ihrer Schönheit alle Möglichkeiten dazu hätte, daher war Susan etwas beunruhigt.
    Nach ein paar höflichen Worten verabschiedete sich Stephen, und die Frauen gingen in die andere Richtung davon.
    »Du hast uns nie erzählt, was für interessante und gutaussehende Männer du kennst«, sagte Hetty prompt, als Stephen außer Hörweite war. »Ist er dein Liebhaber?«
    »Das möge Gott verhüten«, rief Susan. »Und dir rate ich, verlieb dich bloß nicht in ihn. Stephen Polkinghorn bricht reihenweise die Herzen der Frauen, ohne auch nur ein Wort von dem, was er sagt, ernst zu meinen. Zudem ist er der Spross eines alten Adelsgeschlechts und kann schon deshalb mit einer von uns nicht mehr als eine Affäre beginnen.«
    »Na und? Was hast du gegen Affären?« Mit einer aufreizenden Bewegung warf Joan ihr offenes Haar zurück. »Zumindest wenn es sich um einen so attraktiven Mann wie Polkinghorn handelt. Wir sind nur einmal jung, und das Leben ist ohnehin kurz. Ich hoffe, wir werden Polkinghorn recht bald wiedersehen.«
    Ich nicht, dachte Susan, schwieg jedoch. Sie war froh, dass sie sich

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