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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Triumph über dieses neue Land ausdrückt! Ich denke, ich nenne sie Gloria!«
    »Wir brauchen es ja Tonga nicht so zu erklären«, sagte James grinsend, als Gwyneira ihm die Nachricht überbrachte. Inzwischen hatte Jack sich zu ihm gesellt, und Vater und Sohn waren gerade dabei, ein Spielzeug über dem Bettchen des Kindes zu befestigen. Bis jetzt, so erklärte James seinem Sohn, könne die Kleine es wohl noch nicht richtig sehen, aber auf die Dauer würde das baumelnde Bärchen sie fesseln und beruhigen.
    »Was ist sie nun eigentlich? Meine Tante?« Jack spähte fasziniert in die Wiege, in der Gloria schlief.
    »Du kannst sie ruhig anfassen«, ermunterte Gwyn ihn. »Ja, was ist sie? Kuras Vater und du waren Halbbrüder. Demnach wäre Kura deine Halbnichte. Und das Baby ist deine Großhalbnichte. Das Ganze ist schon etwas schwierig!«
    Jack lächelte das Kind an. Auf seinem Gesicht spiegelte sich der gleiche Ausdruck wider, den sein Vater beim Anblick neugeborener Tiere zu zeigen pflegte: ungläubiges Staunen, beinahe so etwas wie Andacht. Schließlich führte er die Hand in die Wiege und tastete mit dem Finger vorsichtig nach Glorias Händchen.
    Das Baby öffnete für einen kurzen Augenblick die Augen und schloss sie dann wieder. Es schien Jack fasziniert zuzuzwinkern. Mit festem Griff schloss es seine winzige Hand um Jacks Finger. »Ich glaube, ich mag sie!«, sagte der Junge.
     
    In der nächsten Zeit wurde die Sorge um die kleine Gloria zu einem Hauptstreitpunkt unter den Frauen auf Kiward Station. Die Köchin Kiri und in ihrem Gefolge Marama waren rundheraus dagegen, Kura die Pflege des Kindes abzunehmen. Kiri hatte sich vor Jahren, nach Gwyneiras unseliger Schwangerschaft, um den kleinen Paul gekümmert und empfand das im Nachhinein als Fehler. Die Mutter hatte nie eine Beziehung zu dem Kind aufbauen können und hatte es dann auch als älteren Jungen und Erwachsenen nie wirklich geliebt. Hätte sie Paul einfach schreien lassen, argumentierte Kiri, wäre Gwyn früher oder später gezwungen gewesen, das Kind zu nähren – und dann hätte sie von allein mütterliche Gefühle entwickelt. Mit Kura und Gloria sei es genauso, erklärte Kiri.
    Gwyneira dagegen meinte, sich ihrer kleinen Urenkelin annehmen zu müssen. Schon deshalb, weil es sonst offensichtlich niemand tat. Kura jedenfalls sah sich nicht bemüßigt, ihr Baby aufzunehmen, nur weil es schrie. Sie verzog sich dann eher in ein anderes Zimmer, um das Kind nicht zu hören. Die Unterbringung der kleinen Gloria in ihrem Salon, dem abgelegensten Raum ihrer Suite, erwies sich als Fehler. Das Kinderzimmer grenzte zwar an den Korridor, sodass Glorias Weinen den Mitbewohnern des Hauses nicht verborgen blieb. Aber wenn Kura sich in ihr Schlaf- oder Ankleidezimmer zurückzog, hörte sie fast nichts. Und was Heather Witherspoon betraf: Der schien das Geschrei zwar auf die Nerven zu gehen, doch sie fürchtete offensichtlich, das Baby fallen zu lassen, wenn sie es hochnahm – und nachdem Gwyn sie einmal dabei beobachtet hatte, teilte sie diese Sorge.
    »Mein Gott, Miss Heather, das ist ein Baby, keine Puppe! Der Kopf ist nicht drangeschraubt, man muss ihn noch stützen. In dem Alter kann Gloria ihn noch nicht selbst halten. Und das Kind wird Sie schon nicht beißen, wenn Sie’s an Ihre Schulter legen. Explodieren wird es auch nicht – Sie brauchen es nicht zu halten wie eine Dynamitstange.«
    Miss Heather hielt sich daraufhin ganz zurück. Ebenso William, der aber immerhin eine Kinderfrau engagierte, eine Mrs. Whealer. Ein Maori-Mädchen hatte er abgelehnt. Die ziemlich tüchtige Mrs. Whealer konnte allerdings erst gegen neun Uhr morgens anfangen, da sie aus Haldon kam, und abends wollte sie möglichst zu Hause sein, bevor es dunkel war. James grummelte, man könne dem Mann, der abgestellt werden müsse, um Mrs. Whealer zu holen und nach Haus zu fahren, auch gleich das Wickeln beibringen, von der Stundenzahl käme es auf das Gleiche hinaus.
    Auf jeden Fall war nachts niemand da, der Gloria tröstete und fütterte, und oft genug war es Jack, der ins Schlafzimmer seiner Eltern tappte und Meldung davon machte. Der Junge schlief im Zimmer neben der neu eingerichteten Kinderstube und hörte das Baby folglich als Erster schreien. Tatkräftig, wie er war, holte er es die ersten Male einfach aus der Wiege und legte es neben sich wie den Hundewelpen, den er zu Weihnachten bekommen hatte. Den pflegte er allerdings vor dem Schlafen zu füttern, worauf das Tier süß

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